Der Schlawiner mit dem roten Haar

von Redaktion

NACHNAMEN-SERIE Wurmer, Hase und Fuchs – Unser Experte über tierische Namenspaten

VON OLIVER ULTSCH*

Der Hase gilt gemeinhin als nervöses, schreckhaftes und scheues Tier. Der typische Hasenfuß vermeidet Entscheidungen und mischt sich lieber nirgends ein. Ihn gibt es, auch in der Form Haase, ebenfalls als Familiennamen. Er erhielt diesen Nachnamen einst aufgrund seiner persönlichen Wesenszüge. Bei Tiernamen war das keine Seltenheit. Eher weniger wurde ein Bezug zum Tier selbst hergestellt, etwa weil der Namensträger ein solches Tier besaß oder züchtete.

Neben dem Hasenfuß gibt es weitere Beispiele: Einem Adler entging nicht das Geringste – das war jemand, der alles bemerkte. Ein Hummel war ein fahriger, aufgeregter Mitmensch. Hahn – der Name für einen wichtigtuerischen oder kampflustigen Charakter. Andere Sprache gefällig? Wowereit, der Name des ehemaligen Berliner Bürgermeisters, bedeutet im Baltischen Eichhörnchen.

Eine berühmte Redewendung geht auf einen gewissen Victor von Hase zurück, der Mitte des 19. Jahrhunderts vor Gericht stand, weil er einem befreundeten Kommilitonen bei der Flucht geholfen hatte. Als er sich vor dem Tribunal äußern sollte, lautete die Antwort: „Mein Name ist Hase, ich verneine die Generalfragen, ich weiß von nichts.“ Abgekürzt verbreitete sich dieses Statement sehr schnell, ein geflügelter Begriff ward geboren.

Sein Widerpart in der Fabel ist der gute alte Fuchs. Er gilt als listig und schlau, bedacht und berechnend. Ein Schlawiner, wie er im Buche steht. Waren denn einst seine Eigenschaften entscheidend für die Benennung? Recht wahrscheinlich. Er könnte aber auch als Jäger oder Kürschner viel mit dem Tier zu tun oder einfach nur rote Haare gehabt haben.

Ursprung war einst bei uns im Süden der Vuhs. Hier bildete sich mit der Zeit ein „ch“ aus. Im Norden war nur ein Buchstabe anders: Vohs war der Fuchs und hier reduzierte sich mit den Jahrhunderten das lang ausgesprochene „o“ und verschob die Betonung auf das „s“ am Ende. Schon hatte man zwei unterschiedliche Begriffe – und zwei Familiennamen, die das Gleiche bezeichnen: Fuchs und Voss.

In Oberbayern kommt der Name Lämmlein häufig vor. Am wahrscheinlichsten ist hier der Bezug auf einen harmlosen, friedfertigen Charakter. Deutschlandweit am meisten gibt es diesen Nachnamen in Rosenheim und Umgebung. Alternative Erklärungen: Ein Fleischer, der insbesondere kleine Schafe zerlegte. Oder ein Bauer, der verhältnismäßig viele mutmaßlich besonders klein gewachsene Lämmer besaß.

Beim Rappel ist die Herleitung nicht ganz so offensichtlich. Ihn gibt es ebenfalls auffällig häufig in Rosenheim, bundesweit kommt er nur noch im Landkreis Aichach-Friedberg häufiger vor. Ursprung ist der Rapp, auch als Rabe bekannt. Hier ist wohl weniger der Charakter namensgebend als die kohlrabenschwarzen Haare. Rappl schließt sich nordöstlich an und kommt überwiegend im Regensburger Umland vor.

Rund die Hälfte derer mit dem Nachnamen Wurmer lebt im Kreis Garmisch-Partenkirchen. War es ein Zeitgenosse, der lang gewachsen, aber auch wendig war? Ähnelte er in den Gesichtszügen, lang und haarlos, einem Wurm? Das bleibt wohl offen. Das extrem lokale Phänomen dieses Nachnamens schiebe ich dann doch eher auf eine Flur- oder Hofbezeichnung. Ob nun einst ein Hof als „Wurmhof“ betitelt wurde oder gar ein lang gezogenes Tal so benannt war? Oder ob die Bewohner des Dörfchens „Wurmansau“ an der Bundesstraße B23 nahe Unterammergau, früher noch Wurmesau, so bezeichnet wurden? Und erst das Wappen von Murnau: Ein Drache? Nein, ein sogenannter Lindwurm, und das schon seit dem 14. Jahrhundert.

*Oliver Ultsch ist Versicherungskaufmann. In seiner Freizeit erforscht er Nachnamen.

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