Rotthalmünster – Seit über 200 Jahren stellt die Familie von Christian Kopschitz (43) Kerzen her. Mit seinem Bruder Alexander Kopschitz leitet der Maschinenbauingenieur heute die Kerzen-Fabrik in Rotthalmünster – und beliefert vom Landkreis Passau aus Kirchen auf der ganzen Welt mit Kerzenschein.
Wann setzen Sie privat auf Kerzenlicht?
Bei mir und meiner Familie daheim leuchten abends immer Kerzen. Sie schaffen im Gegensatz zur Deckenlampe ein anderes, ganz natürliches Licht. Der Mensch hat sich daran gewöhnt. Es fühlt sich für uns warm und heimelig an. Aber bei mir brennen Kerzen nicht nur der Romantik wegen. Oft nehme ich eine aus der Fertigung mit und kontrolliere beim Abbrennen ihre Qualität. Das ist mein persönlicher Alltagstest.
Welche Kerzensorten fertigen Sie in Ihrem Betrieb?
Wir sind einer der größten Stumpen- und Altarkerzen-Hersteller Deutschlands. Wir produzieren zudem Bienenwachskerzen, Kerzen in Sonderformen wie in Wellen- oder Eiform, sowie Geburtstags-, Oster-, Marien-, Tauf- oder Kommunionkerzen.
Also spielen Kirchenfeste noch eine große Rolle auf dem Kerzenmarkt. Fordert Sie Mariä Lichtmess sehr?
Die steigende Nachfrage merken wir schon drei Monate vorher. Ab November bestellen die Kirchen im Großhandel ihre Altarkerzen. Die vergangenen beiden Corona-Jahre war die Nachfrage etwas verhaltener. Aktuell ist aber deutlich spürbar, dass Kirchen wieder wie gewohnt mit vielen Leuten und Lichtern feiern können.
Wo brennen Ihre Kerzen „made in Rotthalmünster“?
Wir beliefern Kirchen und Großhändler weltweit. Von Europa über die USA bis Japan und den Nahen Osten. Auch dort gibt es viele Christen. Die nächste Lieferung geht in den Libanon. Altarkerzen sind die einzige Ware, die wir auf Lager haben. Alles andere fertigen wir auf Bestellung. Großkunden sind Möbelhäuser und Hotels.
Wie viele Kerzen verlassen pro Jahr Ihre Fabrik?
In der Stunde stellen wir etwa 35 000 Kerzen her, am Tag also rund 300 000 Stück. Bei 220 Produktionstagen macht das 66 Millionen Kerzen im Jahr. Eine Produktionskapazität mit so hohen Stückzahlen ist nur dank maschineller, vollautomatischer Fertigungsanlagen möglich.
Wie genau werden die Kerzen hergestellt?
Wer mal Kerzen im Kindergarten gegossen hat, weiß, wie lange es dauert, bis Wachs fest wird. Stumpen- und Altarkerzen werden daher heute nicht mehr gegossen. Sie bestehen aus Paraffinpulver, das kalt und unter 200 Bar Druck in Form gepresst wird. Danach können sie in UV-stabile Farbe getaucht werden. Der Farbmantel besteht aus Wachsen, die erst später als das Wachs des Kerzenkerns schmelzen. Dies führt beim Abbrand zur Ausbildung einer Brennschüssel rund um den Docht, was die Tropffestigkeit verbessert.
Und wenn doch mal was auf der Tischdecke landet?
Falls sich die Wachsflecken kalt nicht abziehen lassen, entfernt man sie mit Löschpapier und Bügeleisen.
Zurück zur Fertigung: Was war früher anders?
Ursprünglich haben Lebzelter Honig zu Lebkuchen und Wachs zu Kerzen verarbeitet. Erst wurden Kerzen noch in Holz-, etwas später in Metallformen gegossen. Dann haben industrielle Produktionsstätten das Ende des 18. Jahrhunderts beschleunigt – und die Kerze so zum bezahlbaren Massenprodukt gemacht.
Waren Kerzen Luxus?
Im Mittelalter war Wachs so teuer, dass es wie Zobelfelle als Zahlungsmittel akzeptiert wurde. Kirchen und Adelige leisteten sich die luxuriöse Lichtquelle. In Ballsälen wurden Kronleuchter am Seil herabgelassen, um die Kerzen anzuzünden, und wieder hinaufgezogen. Drunter standen riesige Tropfteller – die Gäste sollten ja nichts von der Sauerei abbekommen.
Was haben die einfachen Leute gemacht?
Die mussten sich mit Kienspänen, stark verharzten Kiefernholz-Spänen, begnügen. Ihr Nachteil: Sie haben beim Abbrennen stark geraucht und gerußt. Das würden wir heute nicht mehr aushalten.
Sterben Kerzen je aus?
Mein Opa Erich Kopschitz hat unsere Kerzenfabrik nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut und immer gesagt: „Wachs lebt.“ So sehe ich das auch. Nicht nur zu Lichtmess ist die Nachfrage da. Im Wellness-Sektor sind Kerzen sehr gefragt. Und es gibt immer neue Trends: Gerade sind die in diverse Farben getunkten Dip-Dye-Kerzen in.
Interview: Cornelia Schramm