München – Mit diesem Reiseziel hätte wohl kaum einer gerechnet: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder reist heute nach Albanien. Ihn treibt unter anderem der Mangel an Pflegekräften in Bayern an – im Ausland soll gezielt Personal angeworben werden, potenziellen Pflege- und Fachkräften soll die Einreise in den Freistaat erleichtert werden. Dabei helfen soll auch ein eigenes Büro vor Ort. Ein unbestreitbar wichtiges Anliegen also. Aber dass Söder persönlich dafür nach Albanien und dann auch noch nach Rumänien reisen will, das hat dann doch manche überrascht. Er wolle auch „zielgerichtet die Stellung Bayerns in Europa stärken“, sagt der CSU-Chef und betont: „Bayern hat sich immer als Anwalt, Partner und Brückenbauer nach Süd- und Südosteuropa verstanden.“
Traditionell gehört es zur Stellenbeschreibung jedes bayerischen Ministerpräsidenten, Politik nicht nur von Berchtesgaden bis Aschaffenburg zu machen. In Berlin und in Brüssel wollen die Bayern, will die CSU, ohnehin ein lautes Wörtchen mitreden. Aber auch darüber hinaus – nämlich jenseits der europäischen Grenzen.
Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber haben in ihren Zeiten als Bayern-Regenten reisetechnisch Maßstäbe gesetzt. Stoiber jettete durch die Welt wie wohl kein anderer Ministerpräsident. „Der bayerische Außenminister“ lautete einmal eine Schlagzeile. Stoibers Nachfolger Günther Beckstein besuchte in seiner einjährigen Amtszeit unter anderem Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Und Horst Seehofer? CSU-intern wurde ihm nachgesagt, er fliege nicht gern. Doch auch er schaffte es viele Male hinaus in die weite Welt: nach China, Russland, Saudi-Arabien und Katar, nach Südafrika und Brasilien und in die meisten europäische Länder sowieso.
Söder kann zum Ende seiner fünfjährigen Amtszeit dagegen nur eine eher überschaubare Reisebilanz vorweisen: 2019 Äthiopien, 2020 Russland, und das war es auch schon mit größeren Reisen. Hinzu kamen freilich einige Trips innerhalb Europas: Österreich, Tschechien, Kroatien, Italien, Schweiz. Zudem war Söder als CSU-Chef in Bulgarien und zusammen mit der CSU-Landtagsfraktion in Griechenland. Und nun steht also die Reise nach Albanien und Rumänien an.
In der Bilanz muss aber auch berücksichtigt werden, dass die Corona-Pandemie mindestens zwei größere Reisen Söders verhindert hat: Im Frühjahr 2020 musste er deshalb einen geplanten USA-Trip absagen. Und im vergangenen Jahr durchkreuzte ein positiver Corona-Test Söders Reisepläne nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate.
Andere Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten waren zuletzt wieder in weiter entfernten Gefilden unterwegs als Söder: Sein Stuttgarter Kollege Winfried Kretschmann (Grüne) etwa war zuletzt in den USA, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) besuchte das Partnerland Ruanda. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) reiste im vergangenen Jahr nach Südamerika.
Warum Söder Reisen nicht gerade forcierte, dazu gibt es unterschiedliche Einschätzungen: dass sein Motto eher „Bavaria first“ sei etwa oder dass er den Fokus lieber auf landespolitische Themen lege. „Wir hätten natürlich ein deutlich umfangreicheres Programm gehabt, wenn Corona nicht gewesen wäre“, sagt Söder selbst. „Und nach der Pandemie kam die Energiekrise, damit waren drei Jahre im Grunde geblockt.“
Söder betont aber auch: „Wir haben den großen Vorteil, dass man auch gerne zu uns reist, etwa zur Sicherheitskonferenz. Wir sind regelmäßig Gastgeber für internationale Gäste.“ Mit China, den USA und anderen gebe es einen ständigen Austausch. „Klar ist: Wir halten die strategischen Kontakte, pflegen unsere Netzwerke und bauen sie sogar aus“, sagt Söder. „Nur reisen um des Reisens willen, ist nicht sinnvoll. Bayerns Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht einen praktischen Nutzen.“ Nun steht im Oktober erst einmal die Landtagswahl an, bei der Söder für eine neue Amtszeit kandidiert. Und die wird natürlich nicht irgendwo im Ausland entschieden – sondern zu Hause in Bayern.