München – Luise Loué hat längst aufgegeben, die Liebe verstehen zu wollen. Obwohl sie sich täglich mit ihr beschäftigt. „Jedes Mal, wenn ich eine neue These habe, wird sie sofort widerlegt.“ Die Thesen kommen mit den Liebesgeschichten, die die Anfang-40-Jährige aus Schondorf am Ammersee sammelt. Eigentlich sammelt sie eher das, was von der Liebe übrig bleibt: Kuscheltiere, Briefe, Basteleien, Bilder. Über 130 Objekte haben ihr Menschen bereits zur Verfügung gestellt und ihr die Geschichten anvertraut, die hinter den teils kuriosen Gegenständen stecken.
Da ist zum Beispiel diese 1,60 Meter große Giraffe aus Pappmaché. Sie hat einst bei einem Heiratsantrag erfolgreich nachgeholfen, erzählt Loué. Das Paar hatte gemeinsam ein Bild von einer Giraffe gemalt. Dafür mussten die beiden 60 nummerierte Punkte verbinden – nach jedem schönen Erlebnis malten sie gemeinsam eine neue Linie. Die Giraffe war nach wenigen Monaten fertig – und wurde ein Symbol ihrer Liebe.
Loué kennt aber auch Geschichten mit traurigem Ende. Zum Beispiel die von Gislind und Wolfgang. Die beiden führten eine lange, glückliche Beziehung, zogen aber nie zusammen. Sie lebte in Berlin, er in München. Inzwischen ist er gestorben. Die 67-Jährige hat aus den vielen Briefen, Fotos und Karten, die sie sich hin- und herschickten, ein Buch binden lassen. Das hat sie Loué für ihre Sammlung geschenkt – sie fand, dass es dort am besten aufgehoben ist und die größte Wertschätzung bekommt.
Einer der seltsamsten Liebesbeweise stammt von Luise Loué selbst. Es ist ein Fenchel, der von einem Pfeil durchbohrt wird. Er ist das Symbol für eine frühere Beziehung. „Wir machten damals Urlaub und aßen viel Fenchel“, erzählt sie. Erst später erfuhr sie, dass Fenchel libidosenkende Stoffe enthält – was sie nach dem Urlaub bestätigen konnte. Sie versuchte es mit Humor, ließ einen kleinen Amor-Pfeil schmieden, steckte ihn in den Fenchel und schenkte das Kunstwerk ihrem Freund. Er konnte damit nichts anfangen, die Beziehung ging in die Brüche. Der Fenchel mit dem Pfeil bekam jedoch eine viel wichtigere Funktion – er wurde das erste Objekt in ihrer Sammlung von Liebes-Erinnerungen.
„Ich war immer eine Sammlerin“, erzählt Loué. Im Keller bewahrte sie mehrere Kisten auf mit Erinnerungen an die Vergangenheit. Jede einzelne ließ sie schmunzeln. So entstand die Idee, auch andere Menschen nach ihren schönsten oder kuriosesten Andenken zu fragen. „Es gibt so viele schlechte Nachrichten und so viel Trauriges auf der Welt“, sagt sie. „Da ist es wichtig, den Blick auf das Positive zu richten.“ Seitdem sammelt sie auch fremde Liebesgeschichten – das können Andenken zwischen Liebenden sein, aber auch zwischen Eltern und Kindern, Geschwistern, guten Freunden. Selbst die Liebe zu Haustieren hat ihr ein paar Objekte beschert.
Sie alle haben eines gemeinsam: Sie besitzen keinen hohen materiellen Wert – für ihre Besitzer sind sie aber unbezahlbar. Deshalb bekommt Loué manche Objekte nur als Leihgabe. Andere können sich keinen besseren Ort für ihren Liebesbeweis wünschen. Denn die Schondorferin besitzt ein mobiles Tiny House. Damit bringt sie die Schätze dorthin, wo es Menschen gibt, die sich dafür interessieren. Das kann eine Jubiläumsfeier sein, ein Firmen-Event, manchmal stand sie auch einfach in einer bayerischen Innenstadt und berichtete den Leuten dort, was die Liebe zurückgelassen hat. „Jedes Mal ergeben sich ganz wunderbare Gespräche“, berichtet sie.
Insgeheim träumt sie schon lange von einem richtigen Museum der Liebe, in dem sie die vielen großen und kleinen Geschichten dauerhaft zeigen kann. Das selbst gebastelte „Mensch ärgere Dich nicht“, dass eine Frau für ihre blinde Mutter angefertigt hatte. Die Hörspielkassetten, die sich beste Freundinnen gegenseitig besprochen hatten. Die abgetippten SMS-Verläufe zwischen zwei Liebenden. Der abgeschnittene Zopf, die vielen Collagen und Kuscheltiere. Sie hätte gerne mehr Platz dafür – und für all die Geschichten, die sie noch sammeln möchte. Dafür sucht sie in München nach einem passenden Ort – und hofft auf ein bisschen Unterstützung der Stadt.
Ihr Lieblingsstück in der Sammlung wird aber wohl ein Geschenk bleiben, das ihr Sohn ihr machte, als er in der ersten Klasse war. Eine selbst gebastelte Visitenkarte. Neben den Smiley, den er gemalt hatte, schrieb er damals in großen Buchstaben „Mami“.
Liebesbeweise gesucht
Haben Sie auch Andenken, hinter denen emotionale Momente stecken? Wir freuen uns, wenn Sie uns diese Geschichten erzählen.