Wird Fallbeil der „Weißen Rose“ ausgestellt?

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München – Sie war ein Werkzeug für den Massenmord: Etwa 1200 Menschen sind in der NS-Zeit mit der Guillotine aus dem Gefängnis München-Stadelheim geköpft worden, schätzt der Historiker Ulrich Trebbin. Darunter waren ausländische Zwangsarbeiter, wegen „Fahnenflucht“ verurteilte Wehrmachts-Soldaten, gewöhnliche Mörder, aber auch Widerstandskämpfer.

Es gibt viele unbekannte Schicksale, über die Trebbin in einem neuen Buch erzählt (Die unsichtbare Guillotine, Verlag Friedrich Pustet, 24,95 Euro). Etwa das der Münchnerin Marie Ehrlich, einer pensionierten Lehrerin, die sich abfällig über die Nationalsozialisten äußert. Sie wird denunziert und im Alter von 81 Jahren 1944 mit dem Fallbeil hingerichtet. Der Augsburger Dreher Bebo Wager engagiert sich für die Widerstandsgruppe „Revolutionäre Sozialisten“, auch er büßt seinen „Hochverrat“ mit dem Tod unter der Guillotine. Und da sind die Geschwister Scholl und ihre Freunde. Sophie und Hans Scholl sowie Christoph Probst sterben am 22. Februar 1943, Professor Kurt Huber, Willi Graf und Alexander Schmorell am 13. Juli und 12. Oktober, Hans Leipelt schließlich am 29. Januar 1945.

Es war immer dieselbe Hinrichtungsmaschine – und immer derselbe Scharfrichter. Johann Reichhart, so sein Name, hat in seinem Leben wohl an die 3000 Personen enthauptet. Im Buch wird seine Biografie in vielen unbekannten Details ausgebreitet. Er war, so muss man wohl sagen, ein Mann ohne Schuldbewusstsein und Gewissen – der 1963, so ein makabres Detail, Ehrenmitglied im Verein zur Wiedereinführung der Todesstrafe wurde.

Buchautor und BR-Journalist Ulrich Trebbin fand schon 2013 heraus, dass die Mordmaschine nach dem Krieg nicht verschrottet wurde, sondern ins Depot des Bayerischen Nationalmuseums wanderte. Dort befindet sie sich, in Einzelteile zerlegt, noch heute, wie das Museum auf Anfrage bestätigt. Dissens gibt es aber über die Frage, ob das künftig so bleiben soll.

Trebbin hat dazu eine eindeutige Meinung: „Durch das Wegschließen ist die Guillotine zum Tabu geworden“, schreibt er in seinem Buch, in dem er ein energisches Plädoyer für eine Ausstellung publiziert. Sensationsgier sei zwar nicht auszuschließen, aber dieses Risiko könnte minimiert werden, wenn die Guillotine in den historischen Hintergründen eingebettet werde. Die Guillotine habe hier „großes Potenzial“.

Demgegenüber beharrt das Nationalmuseum auf einer Lagerung im Depot. Das sei nach einem Runden Tisch 2014 so entschieden und vom Landtag im vergangenen Jahr bestätigt worden. Und dann führt Generaldirektor Frank Matthias Kammel noch ein Argument auf: Nachfahren der „Weiße Rose“-Mitglieder hätten sich „gegen eine Ausstellung aus emotionalen und Gründen der Pietät ausgesprochen“. Kammel weiter: „Wir respektieren diesen Wunsch ausdrücklich.“ Allerdings berichtet auch Trebbin in seinem Buch von Gesprächen mit Familienangehörigen – Widerspruch habe er nicht gehört.

Vielleicht wird nun aber noch einmal neu nachgedacht, denn auch Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Weiße-Rose-Stiftung, ist nicht strikt gegen eine Ausstellung. „Wenn das Mordwerkzeug kontextualisiert wird, kann ich mir das vorstellen“, sagt sie unserer Zeitung. „Man muss es in eine Erzählung über die NS-Diktatur bringen.“ Und sie weist noch auf etwas hin: Hans Scholl, Christoph Probst, Alexander Schmorell und Willi Graf waren Soldaten der Wehrmacht. Bei Soldaten wurde ein Todesurteil üblicherweise durch Erschießen vollstreckt. Die vier Freunde wurden indes enthauptet. „Man wollte sie so noch zusätzlich herabwürdigen.“ Eine Herwürdigung, für die die Guillotine sinnbildlich stehe.

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