München/Innsbruck – Sie ist ein Dauerärgernis für viele Reisende – und sorgte für erbitterten Streit zwischen CSU und ihrer Tiroler Schwesterpartei ÖVP: Seit 2018 drosselt Tirol den Schwerlastverkehr an Tagen, an denen besonders viele Lkw unterwegs sind. Dann dürfen 200, maximal 300 Laster pro Stunde bei Kiefersfelden/Kufstein über die Grenze fahren. 2022 gab es nicht weniger als 38 dieser „Dosiertage“, wie Tirol die Blockabfertigung nennt. Im ersten Halbjahr 2023 sind 24 Blockabfertigungen geplant, die nächste am 13. März.
Während der frühere Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) die Blockabfertigung energisch verteidigte, gibt es unter seinem Nachfolger Anton Mattle (ÖVP) jetzt Zeichen für Bewegung. Unter Mattle hat die Koalition gewechselt, jetzt regiert nicht mehr Schwarz-Grün, sondern Schwarz-Rot. Der neue Verkehrslandesrat René Zumtobel (SPÖ) kündigte nach einem Treffen mit Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) in Innsbruck ein Slot-System an. Dabei sollen Lkw-Fahrer ein bestimmtes Zeitfenster zur Durchfahrt über die Inntalautobahn buchen. Tirol hat dazu eine Machbarkeitsstudie vorgelegt: Professor Walter Obwexer von der Universität Innsbruck sieht keine rechtlichen Hürden. Allerdings: „Da die Autobahnstrecke Rosenheim–Trient auf dem Hoheitsgebiet von drei EU-Mitgliedsstaaten liegt, wäre ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen Italien, Österreich und Deutschland als rechtliche Grundlage dafür erforderlich“, sagte der Rechtsprofessor bei der Vorstellung seines Gutachtens im Dezember.
Der Landesverband Bayerischer Spediteure (LBS) steht dem Slot-System skeptisch gegenüber. „Das Modell klingt verlockend, ist aber in der Praxis nur schwer durchführbar“, sagt LBS-Sprecher Ulrich Pfaffenberger. Er hält es für schwierig, einen gebuchten Slot-Termin pünktlich einzuhalten. „Wenn man beispielsweise zwei Minuten zu spät dran ist, ist der Slot für 8.30 Uhr weg. Da muss nur ein Unfall passieren oder der Fahrer am Inntal-Dreieck im Stau stehen.“
Trotz solcher Bedenken gab Zumtobel gegenüber Bernreiter jetzt ein „Bekenntnis zur Umsetzung“ ab und versprach, es werde „ein konkreter Fahrplan zur Realisierung“ erarbeitet. Das Slot-System sei „eine echte Chance“. Bernreiter begrüßt das: „Ein digitales Slot-System wäre eine echte Alternative zu Maßnahmen wie der Blockabfertigung.“ Ungewiss ist jedoch, bis wann der von Obwexer angemahnte Vertrag unterschriftsreif werden könnte. Zumtobel sagte etwas vage, man müsse bei den Regierungen in Berlin, Wien und Rom „Überzeugungsarbeit“ leisten. Zum zweiten gibt es auch die Frage, wie viele Lkw je Stunde in den Slots zugelassen werden. Allein schon wegen der baufälligen Lueg-Brücke zwischen Innsbruck und Brenner, die wegen einer Totalsanierung ab 2025 nur einspurig befahrbar sein wird, sind Engpässe voraussehbar.
Trotz aller Beteuerungen zur Verlagerung vom Güterverkehr auf die Schiene ist der Lkw-Verkehr im Inntal enorm. 2022 „passierten insgesamt 2,5 Millionen Lastwagen den Brenner, so viele wie noch nie zuvor“, sagt eine Sprecherin der Tiroler Landesregierung unserer Zeitung. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres waren es rund 390 000 Lkw. Tirol plant für das zweite Halbjahr jedenfalls weiter mit Blockabfertigungen. Derzeit werde „der Dosierkalender für das zweite Halbjahr 2023 erarbeitet“.