Neureuther: „Auf den Pisten geht‘s extrem zu“

von Redaktion

Der Ex-Skiprofi spricht über die vollen bayerischen Skigebiete – Knieverletzungen nehmen zu

VON ANDREAS BEEZ

Garmisch-Partenkirchen – Nach den beiden Corona-Wintern gibt‘s für die Brettl-Fans heuer offenbar kein Halten mehr: Sie stürmen die Skigebiete insbesondere in den Münchner Hausbergen. „Die Leute drängen nach draußen, sie wollen unbedingt zum Skifahren, das spürt man schon den ganzen Winter über. Es sind wahnsinnig viele Leute auf den Pisten unterwegs. In einer solchen extremen Form wie in dieser Saison habe ich das noch nie erlebt“, sagte Felix Neureuther.

Sein Vater Christian Neureuther teilt diese Einschätzung: „Das Alpin-Skifahren erlebt einen regelrechten Boom. Besonders an den Wochenenden ist extrem viel los. Ich kann das verstehen. Die Menschen wollen raus an die frische Luft, sich bewegen – gerade nach der Corona-Zeit mit Lockdown und anderen Einschränkungen.“

Allerdings hat die neue Lust am Skifahren auch ihre Schattenseiten – gerade in den stark frequentierten Münchner Hausbergen. Heuer gibt’s besonders viele Ski-Unfälle – zum Teil mit schweren Verletzungen, insbesondere am Knie. So geben sich bei Dr. Manuel Köhne in der Münchner OCM-Klinik Opfer von Skiunfällen mit schweren Knieverletzungen die Klinke in die Hand. „Ich sehe momentan jeden Tag rund 20 Patienten, die sich beim Skifahren am Knie verletzt haben, Kollegen berichten mir von einer ähnlichen Häufung. Das ist wirklich ungewöhnlich und war in den vergangenen zehn Jahren in diesem Ausmaß noch nie der Fall“, sagt der leitende Mannschaftsarzt der deutschen alpinen Ski-Nationalmannschaft.

Die meisten Kniepatienten kommen mit Kreuzbandrissen in die Arztpraxen. „In vielen Fällen ist neben dem vorderen Kreuzband gleichzeitig auch das Innenband und/oder der Meniskus lädiert. Dazu kommen in einigen Fällen knöcherne Verletzungen – von Stauchungen des Schienbeinkopfes bis hin zu Brüchen“, sagt Ski-Doc Köhne.

Die Häufung der Skiverletzungen führt Köhne auf mehrere Gründe zurück. „Da kommt einiges zusammen: die vielen Leute, die endlich wieder Skifahren wollen auf der einen Seite, die diesen Winter oft schlechten Pistenverhältnisse auf der anderen Seite. Die Kunstschnee-Pisten waren hart und eisig. Außerdem waren die Pisten wegen des Schneemangels an einigen Stellen schmaler als üblich – das bedeutete: sehr viele Leute auf weniger Raum“, analysiert Köhne. Diese Einschätzung teilt auch Christian Neureuther: „Auf den schmalen Pisten war und ist wirklich unheimlich viel los.“

Unter den Patienten finden sich laut Köhne häufig entweder Anfänger oder sehr gute Skifahrer. Sie verletzten sich nach Köhnes Beobachtung häufiger als Skifahrer mit mittlerem Fahrkönnen. Eine mögliche Ursache für die gestiegenen Verletzungen könne auch mangelnde Fitness und Training sein, so der DSV-Mannschaftsarzt. „Viele Skifahrer standen heute zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder auf den Brettern.“

Umso wichtiger sei es, gut vorbereitet zum Skifahren zu gehen, betont Felix Neureu-ther. „Es ist wirklich sinnvoll, sich mit Training auf den Pistenspaß vorzubereiten – am besten schon gezielt Wochen und Monate vor Saisonbeginn. Und wenn man auf der Piste ist, gilt die goldene Regel: Nie über seine Verhältnisse fahren“, sagt Felix Neureuther. Besondere Vorsicht sei mit Kindern geboten, mahnt Christian Neureuther: „Es ist etwas Herrliches, mit der Familie auf die Piste zu gehen, auch ich genieße das mit meinen Enkeln sehr“, sagt der frühere Weltklasse-Skifahrer. „Aber die Sicherheit muss immer an oberster Stelle stehen.“

Um seine Enkel auf der Piste vor heranrauschenden Skifahrern zu schützen, fährt der Opa fast immer hinter ihnen. „Ich fahre ihnen keine Schwünge vor, sondern gebe ihnen meine Tipps praktisch von hinten. Dadurch stehe ich notfalls als Prellbock dazwischen, wenn ein Harakiri-Fahrer von oben kommt und nicht mehr rechtzeitig bremsen kann.“

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