Dienstradl-Affäre im Ministerium

von Redaktion

VON CARINA ZIMNIOK

München – Die Internetseite für die Aktion „Ciao Stau“ gibt es nicht mehr. Das Foto, das Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) 2020 beim Auftakt zeigt, lässig aufgestützt auf einem Klapprad, ist nur in klitzekleiner Auflösung in der digitalen Pressemitteilung. Von der Aktion, die Autofahrer aufs Radl locken sollte, will Glaubers Ministerium vermutlich am liebsten nichts mehr wissen – der Oberste Rechnungshof kreidet der Behörde nämlich eine pikante Verschwendung von Steuergeldern an.

50 hochpreisige Fahrräder hat das Ministerium dem aktuellen ORH-Bericht zufolge angeschafft. Kosten: 106 000 Euro. Allein zehn Mountainbikes kosteten 41 800 Euro, drei Lastenräder mit Elektroantrieb satte 13 700 Euro.

Ursprünglich hatte die Behörde für 2020 die Aktion „Stauretter“ geplant: Ausgewählte Teilnehmer sollten ihr Auto gegen ein (vom Ministerium ebenfalls nur geliehenes) Leihfahrrad tauschen. Dann kam Corona mit der Homeoffice-Phase, in der wenige Pendler unterwegs waren. Die Aktion „Stauretter“ wurde abgesagt. Allerdings hatte das Umweltministerium für die Kampagne bereits eine Eventagentur beauftragt, der Vertrag wäre nicht ohne finanzielle Folgen kündbar gewesen. „Ciao Stau“ wurde aus dem Boden gestampft, die Agentur bekam dafür 84 000 Euro. In einer „Klimawoche“ im September 2020 sollte die kostenlose Nutzung von Rädern – 20 mit Elektroantrieb, 20 ohne – verlost werden. Auch die Deutsche Bahn und die Münchner Verkehrsgesellschaft beteiligten sich.

Doch anders als geplant mietete das Ministerium die Räder nicht, sondern kaufte kurzerhand 50 Stück. Geeignete Mietradl habe es damals nicht gegeben, heißt es. Und die Fahrräder sollten auch nach der Klimawoche eingesetzt werden – mindestens fünf Jahre, auch als Dienstfahrräder für die Mitarbeiter. Der Fuhrpark bestand vor dem Ankauf aus nur sechs Fahrrädern.

Pendler profitierten nur bedingt von der teuren Anschaffung: Während der vierwöchigen Aktion „Ciao Stau“ blieben zehn der 50 Luxus-Radl ungenutzt. Als die Kampagne 2021 wiederholt wurde, blieben 27 in der Garage. Außerhalb der Aktionen wurden die Radl im Ministerium als Dienstfahrräder genutzt –oder von Beschäftigten und deren Angehörigen kostenlos ausgeliehen. Dass auch Familienmitglieder die Räder nutzen dürfen, hatte das Finanzministerium auf Anfrage des Umweltministeriums zwar als unzulässig bewertet. Doch das war Glaubers Haus egal: 2021 wurden die Fahrräder am Standort München an 1855 Tagen ausgeliehen. Davon an 123 Leihtagen für dienstliche Zwecke – an 1122 Leihtagen privat, darunter an 187 von Angehörigen. 19 Fahrräder wurden gar nicht genutzt. Für Verwaltung der Reservierungen, Reparaturen, Wartung und auch Beratung der Mitarbeiter setzte das Ministerium eine Vollzeitkraft (78 809 Euro im Jahr) ein. Die soll auch weitere Radl-Aktionen durchführen. Diese Personalkosten, rügt der ORH, habe das Umweltministerium nicht berücksichtigt.

Die Prüfer finden: Das Ministerium hat zu viele, zu teure Fahrräder angeschafft, die dann auch noch nicht ausreichend genutzt werden. Günstigere Modelle hätten es auch getan. Und: „Die private Nutzung überwog bei Weitem“ –obwohl das ein haushaltsrechtlicher Verstoß sei.

Das Ministerium hat den Verleih an Angehörige inzwischen eingestellt. Die dienstliche Nutzung sei eigentlich nur nachrangiger Beschaffungszweck gewesen. Das Ministerium erwäge zudem, einen Teil der wenig nachgefragten Radl an andere Behörden abzugeben oder zu verkaufen. Und eine weitere Aktion im Herbst 2022 sei erfolgreicher gewesen, die Nachfrage nach den Rädern deutlich größer – diesmal habe man die Modelle in München, Augsburg und Würzburg an zentralen Plätzen ausgestellt. Der ORH hält dagegen: Auch bei dieser Aktion sei ein erheblicher Teil der Räder ungenutzt geblieben.

Ganz war es das noch nicht mit der unglückseligen Aktion: Zwei Pedelecs wurden im Oktober 2020 gestohlen. Wert: 8500 Euro.

ORH: Die private Nutzung überwog

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