Furcht vor dem „Naziputsch“

von Redaktion

ZEITGESCHICHTE Kardinal Faulhabers Tagebücher 1930-1932

VON DIRK WALTER

München – Der Münchner Kardinal Michael von Faulhaber ist umstritten wie wohl kein zweiter Kirchenfürst. Das gilt vor allem für seine Einstellung zum Nationalsozialismus. Nach 1933 wurde er zusehends Hitler-gläubig, äußerte sich nach einem Besuch auf dem Obersalzberg sogar schwärmerisch. Das Hitler-Attentat 1944 verurteilte er als „ruchloses Verbrechen“.

So NS-affin war Faulhaber freilich nicht immer, wie jetzt freigegebene Tagebuch-Einträge für die Jahre 1930 bis 1932 zeigen. Die Tagebücher werden seit 1925 nach und nach vom Münchner Institut für Zeitgeschichte und dem Seminar für Kirchengeschichte in Münster online ediert (www.faulhaber-edition.de). In den Jahren, in denen die NSDAP zusehends zur Massenbewegung wurde, verhielt sich Faulhaber reserviert, ja sogar scharf ablehnend. Zur Erinnerung: Am 14. September 1930 kam die Nazi-Partei bei der Reichstagswahl auf 18,3 Prozent und erhielt auch in Bayern nur unwesentlich weniger Stimmen (17,9 Prozent). Das war damals für viele ein ungeheurer Schock.

Auch für Faulhaber. Die Geistlichkeit der Diözese reagierte mit zehn Aufklärungsversammlungen gegen den Nationalsozialismus – „alle gut besucht und voll Begeisterung“, wie er am 10. November 1930 in sein Tagebuch notierte. Das Jahr 1932 sah er politisch düster, prophezeite eine „Nazi-Revolution“ (8. März 1932). Interessant ist, dass Faulhaber auch von Gedankenspielen innerhalb der damals federführenden katholischen Bayerischen Volkspartei (BVP), sozusagen vorbeugend die Monarchie auszurufen, gar nichts hielt. „Und jetzt mit dem Naziputsch zugleich monarchistischer Putsch zu fürchten“, hieß es am 11. April 1932. Das seien aber, schrieb er wenig später, „Illusionen“. Enttäuscht hatte sich Faulhaber, der bis dahin auch an den Wahlen teilgenommen und – so steht zu vermuten – immer die BVP gewählt hatte, von der Partei abgewandt. Er verspottete sie als „Schlafwagengesellschaft“ (31. August 1931).

Man täusche sich aber nicht, so die Einschätzung des Historikers Peer Volkmann, der die Edition mitverantwortet: Weiterhin betrachtete der Kardinal in dieser Zeit den Kommunismus als erstrangige Bedrohung für die Kirche. Auch dazu gibt es zahlreiche Eintragungen im Tagebuch. Immer wieder stand Faulhaber in den 1930er-Jahren Morddrohungen – der Extremismus von links und rechts hielt ihn in Atem. Welche Befürchtungen Faulhaber hatte, zeigt auch der Tagebucheintrag vom 13. März 1932, als Hitler als Reichspräsident kandidierte. Für den Fall der Nicht-Wahl „wird es blutig werden. Ich habe mich bereitet. Seit drei Tagen geräumt, geordnet, Testament neu überlesen, rückständige Zahlungen erledigt.“

Tatsächlich wurde Hitler nicht gewählt, es blieb aber ruhig. Die blutige Abrechnung der Nationalsozialisten begann erst nach der Machtübernahme 1933.

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