Milch-Genossenschaft mit Zukunft

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

Grassau – Die Zwetschgen- und Apfelbäume vor dem Haus blühen, der Blick wandert vom Großrachlhof in Grassau im Kreis Traunstein über saftige Wiesen auf die Chiemgauer Alpen. Auch wenn die Sichlers 1987 an den Ortsrand umgesiedelt sind, kann die Familie eine beeindruckende Historie vorweisen: Jakob Sichler und seine Frau Mirjam (beide 32) betreiben in 17. Generation die Landwirtschaft.

Eigenwilligkeit und Entschlusskraft scheinen vererbt zu werden im Hause Sichler. „Mein Ururgroßvater ist 1900 per Pferdewagen zur Weltausstellung nach Paris gereist“, erzählt Jakob Sichler. Auch der junge Landwirt und seine Frau, die Ernährungswissenschaften studiert hat, schlagen neue Wege ein. Auf dem Bio-Milchviehbetrieb mit 50 Milchkühen, 60 Jungtieren und Kälbern gibt es unzählige kleine Helfer, die ihnen die Arbeit erleichtern: effektive Mikroorganismen, kurz EM. Sie werden in der Stall-Luft vernebelt und sorgen für ein gesünderes Klima im Stall, es gibt weniger Fäulnis und weniger Fliegen. Die Bakterien und Pilze stärken die Tiergesundheit. „Ich spare mindestens 30 Prozent bei den Tierarztkosten“, sagt der junge Bauer. In manchen Monaten sind es bis zu 70 Prozent weniger. Antibiotika kommen kaum noch zum Einsatz. Auch Mirjam Sichler helfen die EM: Eingesetzt beim Putzen liefern sie einen Nano-Effekt etwa auf Fensterscheiben. Bei zehn Ferienwohnungen macht sich das bemerkbar, wenn die Glasflächen deutlich seltener geputzt werden müssen. Auch das Erdreich profitiere, seit Sichler EM mit Gesteinsmehl untermischt. „Wir haben 12,7 Prozent Humus“, sagt er stolz. Schon wenn man fünf Prozent habe, sei es gut.

Der Großrachlhof ist einer von 600 Biohöfen, die ihre Milch an die Genossenschafts-Molkerei in Piding im Berchtesgadener Land abliefern. Jakob Sichler ist so überzeugt von dem Konzept, dass er seit einem Jahr auch im Aufsichtsrat sitzt. Dabei liegen schwere Monate hinter den Bio-Bauern: Waren Bio-Produkte noch zu Beginn der Corona-Zeit heiß begehrt, ließen Kunden wegen der Inflation die teurere Bioware zugunsten günstigerer Discounter-Lebensmittel liegen. „Trading down“, nennt Marketing-Leiter Klaus Haslauer den Effekt. Jetzt gehe es darum, die Kunden vom Nutzen der Marke zu überzeugen.

Der Milchpreis für Bio-Bauern ist in Folge des UkraineKriegs längst nicht so gestiegen wie bei konventionellen Landwirten. „Als Genossenschaft handeln wir langfristig“, erklärt Geschäftsführer Bernhard Pointner die Strategie. Jetzt zahlt sich die Geschäftspolitik aus – Deutschlands älteste Bio-Molkerei senkt aktuell beim Abwärtstrend das Milchgeld nicht so stark ab. „Im Moment bekommen wir 60 Cent für die Milch“, sagt Jakob Sichler.

2022 hatte sich die Molkerei bei der Preisgestaltung Mäßigung auferlegt: Bei der Butter war bei 2,99 Euro im Handel Schluss, während andere Marken bis zu 3,50 Euro kosteten. „Das wurde entschieden, damit die Kunden nicht davonlaufen“, sagt Mirjam Sichler – trotz hoher Energiekosten. In schweren Zeiten müsse man zusammenhalten.

Wie zu Corona-Zeiten: Da habe die Molkerei jedem Bauern einen Bonus gezahlt, damit er über die Runden kommt. Jakob Sichler ist davon überzeugt, dass Bio und der Genossenschaft die Zukunft gehören. Vielleicht wird dann auch eine seiner beiden kleinen Töchter den Hof führen – in die 18. Generation.

Bio-Bauern halten

in schweren Zeiten

zusammen

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