Rottach-Egern/München – Ist die 87-jährige Lieselotte Kortüm im Oktober 2008 in die Badewanne gestoßen worden oder ist sie gestürzt? Die beiden Ärzte, die gestern am Münchner Landgericht ausgesagt haben, konnten die Frage zwar nicht beantworten. Entlastet haben sie den wegen Mordes angeklagten Hausmeister Manfred Genditzki aber dennoch.
Alle ein bis zwei Wochen habe er die alte Dame zu Hause besucht, berichtete ihr Hausarzt. An viel könne er sich nach über 15 Jahren nicht mehr erinnern, entschuldigte sich der 63-jährige Internist. Auch die Krankenakte sei mittlerweile geschreddert. Hätte er geahnt, dass es nach der rechtskräftigen Verurteilung Genditzkis vor über zehn Jahren zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens kommen würde, hätte der Hausarzt die Akte wohl aufbewahrt. Mitarbeiterinnen eines Pflegedienstes hatten am Mittwoch angegeben, die alte Dame habe sich auf die Besuche ihres Hausarztes immer sehr gefreut. Anders als mehrere der Pflegerinnen beschrieb der 63-Jährige seine frühere Patientin als „nicht schwierig“. An unangenehme Situationen könne er sich nicht erinnern. Bei einem Hausbesuch sei auch der Angeklagte mit seiner Familie da gewesen. Es sei „sehr harmonisch“ gewesen.
Die 87-Jährige war altersbedingt in ihrer Mobilität eingeschränkt, berichtete der Internist. Wegen einer Lungenembolie und Vorhofflimmern war sie mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt worden. Daran, dass die Rentnerin über Schwindel geklagt hätte oder gestürzt wäre, konnte er sich nicht erinnern. Als ihn Verteidiger Klaus Wittmann dann aber damit konfrontierte, dass in den Gerichtsakten wenige Monate vor dem Tod der 87-Jährigen vier Stürze innerhalb kurzer Zeit dokumentiert sind, musste der Hausarzt eingestehen: „Eine Sturzneigung ist wohl da.“
Dies konnte auch ein Hamburger Neuroradiologe bestätigen. Bei Lieselotte Kortüm sei ein „knackiger Hypertonus“ diagnostiziert worden. Als Folge des Bluthochdrucks sei chronischer Schwindel plausibel. Vor allem aber ergebe sich aus Kernspin- und Computertomographie-Untersuchungen drei Monate vor dem Tod der Rentnerin, dass sie wohl früher kleinere Schlaganfälle „mit kurzzeitigen Ausfällen“ erlitten hat. Das sei „nicht selten bei Menschen dieser Altersklasse“, erklärte der Sachverständige.
Sollte die 87-Jährige – was im Raum steht – zudem die Blutverdünner abgesetzt haben, hätte dies ihr Schlaganfallrisiko weiter erhöht. Angesichts der Befunde müsse die alte Dame beim Stehen und Gehen unsicher gewesen sein: „Ein flüssiges Gangbild gab es mit Sicherheit nicht mehr“, so der Neuroradiologe. ANDREAS MÜLLER