Schongau – Den Schrecken haben Sandra und Sultan Jusufi aus Peißenberg noch nicht vergessen. Trotz der großen Freude über ihren kleinen Adrian. „Was alles hätte schief gehen können“, sagt die junge Mutter, während sie ihren Sohn betrachtet.
Ihr erster Sohn Aaron kam vor zwei Jahren im Schongauer Krankenhaus auf die Welt. Bei ihrem zweiten Sohn hatten sie sich das ebenfalls gewünscht. Doch die Geburtshilfe in Schongau, 24 Kilometer und 21 Minuten Fahrzeit entfernt, wurde zwei Wochen vor dem Geburtstermin geschlossen. Die Schwangere war verzweifelt, ihr Frauenarzt hatte wegen der Lage des Kindes eine schnelle Geburt prognostiziert. Also entschieden sie sich, zur Entbindung ins 50 Kilometer entfernte Garmisch-Partenkirchen zu fahren. Fahrzeit: 55 Minuten.
Vergangenen Donnerstag, in den frühen Morgenstunden, spürte sie ein Ziehen im Unterleib. Ihr Mann war bereits in der Arbeit, sie rief ihn an und er eilte nach Hause. Auch ihr Schwiegervater kam, um auf Aaron aufzupassen. Weil der aber nicht beim Opa bleiben wollte, stiegen sie zu viert ins Auto. Die Wehen kamen bereits alle zehn Minuten, die Abstände wurden schnell immer kürzer. „Panik hatte ich nicht, mein Kopf war wie ausgeschaltet“, erzählt sie. Aber ihr war klar, dass sie es nicht bis Garmisch-Partenkirchen schaffen würden. Ihr Mann rief den Notruf und hielt auf dem Parkplatz eines Gasthauses an. Die beiden stiegen aus, plötzlich schrie Sandra Jusufi laut: „Du musst das Kind auffangen!“ Als er ihre Hose herunterzog, sah er bereits den Kopf des Kindes. Nur wenige Sekunden später hielt Sultan Jusufi seinen Sohn im Arm. Bis die vier Rettungswagen und der Notarzt eintrafen und Mutter und Kind versorgten, dauerte es noch. „Die haben ihr Bestes gegeben“, sagt Jusufi. Mutter und Kind wurden mit zwei Rettungswagen nach Garmisch-Partenkirchen transportiert. Zwei Tage später durften sie nach Hause.
Sultan Jusufi hat kein Verständnis dafür, dass kein Krankenhaus mehr in der Nähe ist, wo Mütter ihre Kinder auf die Welt bringen können. „Es wäre knapp gewesen, aber wir hätten es nach Schongau geschafft.“ Nun ist er erleichtert, dass alles gut gegangen ist. An viele Momente kann er sich nicht mehr erinnern, es sei wie ein Filmriss. Diesen denkwürdigen Tag wird aber die gesamte Familie nicht vergessen.
Dass es häufiger zu solchen Geburten kommen wird, glaubt Michael Limbrunner, der Leiter der Integrierten Leitstelle Weilheim, nicht. Das sei auch nach der Schließung der Geburtshilfe in Weilheim nicht der Fall gewesen. B.SCHLOTTERER-FUCHS