München – Für Teddy ist es kein guter Tag. Es ist noch nicht mal 9 Uhr morgens – und er ist schon unter einen schweren Autoreifen geraten. Der Plüsch-Patient liegt bewegungslos auf der Wiese vor der Kinderklinik in Schwabing. Doch er hat Glück: Rettung ist bereits unterwegs. Gerade ist eine Kindergartengruppe durch den Eingang marschiert. Und die Mädchen und Buben wissen genau, was jetzt zu tun ist. „Wir müssen erst mal die 112 anrufen“, sagt der fünfjährige Lucas. Ein paar Minuten später hat er von Feuerwehrfrau Eva einen Helm aufgesetzt bekommen und darf dabei helfen, den Reifen mit einem Hydraulikgerät vom Teddy zu heben.
Für die Kinder ist der Einsatz damit noch lange nicht vorbei. Mit lautem Tatü-Tata tragen sie den bewusstlosen Riesen-Teddy auf einer Trage in die Klinik. Dort ist bereits alles für sie vorbereitet. Denn an diesem Vormittag sollen sie selbst einmal Arzt oder Ärztin sein dürfen. Ihre Patienten bringen sie praktischerweise selbst mit. Nicht nur Teddys sind an diesem Tag zu Gast, sondern auch plüschige Katzen, Pinguine, Zebras, Einhörner oder Dinosaurier. Hier, im großen Behandlungsraum, sind selbst Wölfe und Bären ausdrücklich willkommen.
Lucas hat seinen Pinguin unter dem Arm. Der hat schlimme Bauchschmerzen – und das Glück, sogar eine Chefarzt-Behandlung zu bekommen. Professor Marcus Krüger sieht natürlich auf den ersten Blick, was Pingu fehlt. „Wir brauchen die Zeckenzange“, sagt er zu seiner Assistentin. „Du musst deinen Pinguin jetzt gut festhalten, Lucas!“ Der Fünfjährige schaut dem Kinderarzt mit großen Augen dabei zu, wie er eine unsichtbare Zecke aus dem Pinguin-Bauch entfernt. Danach bekommt Pingu einen roten Verband angelegt. „Er hat gar nicht geschrien“, sagt Lucas danach und streichelt seinem Plüsch-Freund über den Kopf.
Aber wenn er schon mal hier ist, will Lucas seinen Pinguin lieber noch etwas gründlicher durchchecken. Medizinstudentin Britta hilft ihm dabei. Die beiden marschieren einmal quer durch den Raum zum Röntgen-Gerät – vorbei an einem Tiger mit Zahnproblemen und einer Plüsch-Katze, die beatmet werden muss.
Die Teddy-Klinik findet zweimal im Jahr statt. Organisiert wird sie von den Medizinstudenten der Ludwig-Maximilians-Universität und der Technischen Uni. Dieses Jahr haben die Studenten erstmals auch die Pflegeschüler des Klinikums mit ins Boot geholt. „Im Krankenhaus arbeiten wir ja auch eng zusammen“, sagt Laura Lansink Rotgerink. Sie studiert Medizin im zehnten Semester und arbeitet in der Kindernotaufnahme. Und sie hat nicht vergessen, wie viel Angst sie als kleines Kind hatte, wenn sie zum Arzt musste. Genau diese Angst wollen die Teddy-Docs den Kindern nehmen. „Hier sind bisher noch alle Kinder mit einem Lächeln rausgegangen“, erzählt Laura Lansink Rotgerink.
Sogar Davids Dinosaurier. Der hatte sich morgens noch übergeben. Und wirklich große Angst vor der Untersuchung, erzählt der Sechsjährige. Vorsichtig nimmt er seinem plüschigen Freund mit einer Plastikspritze Blut ab. Dann gibt’s noch ein Pflaster. „Siehst du, Dino, ist gar nicht so schlimm.“ Das Blut muss sich David natürlich noch unter dem Mikroskop anschauen. Aber die Station ist grade besetzt.
Denn Lucas untersucht gerade Pingus Blut unter dem Mikroskop, das in seinem früheren Leben eine Waschmittelflasche war und jetzt bunt beklebt und kinderfreundlich im Einsatz ist. „Ein Bakterium!“, ruft Lucas und zeigt Medizinstudentin Britta das kleine Symbol, das auf ein Stück Papier gemalt ist. „Was glaubst du, was das für eins ist?“, fragt sie ihn. Fachmännischer Blick. „Könnte Karies sein“, sagt Lucas. Er hat das Medizinstudium an diesem Vormittag fast im Zeitraffer absolviert.
Maya, 4, ist sogar noch einen Schritt weiter in der Ausbildung. Sie operiert gerade den Pechvogel-Teddy, der am Morgen unter den Reifen geraten war. Carmen Herchenhein und Isabell Linneweber zeigen ihr, wie sie ihm die Narkosespritze geben muss. Die beiden machen die Ausbildung zur anästhesietechnischen Assistentin. „Es macht Spaß, den Kindern zu zeigen, dass eine Operation nichts Schlimmes sein muss“, sagt Herchenhein, während Maya fachmännisch Teddys Wunde abtupft und ihn danach vorsichtig wach rüttelt. Er hatte wirklich Glück, dass an diesem Tag so eifrige Nachwuchs-Retter vor Ort waren, um ihm das Leben zu retten.