Mit Alu-Brille im Gerichtssaal

von Redaktion

Prozess um falsche Impfnachweise: Unterhachinger droht Haft

München – Einen selten bizarren Auftritt legte gestern Holger G. (71) hin. Am Landgericht München I bastelte er sich aus Alufolie eine Brille und erschien mit Corona-Maske zu seinem Strafprozess. Dabei sind die Vorwürfe gegen den Unterhachinger Heilpraktiker alles andere als witzig: Er soll massenweise falsche Corona-Impfnachweise ausgestellt und Medikamente an Patienten gegeben haben. Eine Frau, die an Corona erkrankt war und sich von Holger G. mit Vitaminlösungen behandeln ließ, war voriges Jahr gestorben.

Er selbst gab sich laut Anklage als Arzt eines angeblichen Instituts für Mineraldiagnostik und Umweltkrankheiten aus und ist jetzt wegen Missbrauchs von Titeln, des unbefugten Ausstellens von Gesundheitszeugnissen, unerlaubten Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und gefährlicher Körperverletzung angeklagt.

Bereits 2008 war Holger G. die Erlaubnis entzogen worden, als Heilpraktiker zu arbeiten. Er machte aber trotzdem weiter und behandelte hunderte Patienten. Laut Staatsanwaltschaft hatte G. die Ausweise zum Nachweis einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus im Auftrag der betreffenden Personen gefertigt – und dafür auch Geld bekommen, insgesamt mehr als 22 000 Euro.

Zu den Vorwürfen schwieg Holger G. gestern. Sein Münchner Strafverteidiger Franz Wittl fühlte beim Landgericht vor, ob denn eine Verständigung möglich wäre – denn Holger G. wolle „bei der Strafe möglichst eine Drei vor dem Komma sehen“. Aber: „Das sehe ich nicht“, bügelte ihn die Staatsanwältin ab, die eher eine Strafe über fünf Jahre als realistisch ansah – auch, weil Holger G. „erheblich vorbestraft“ sei und die Anklage zur Strafkammer ohnehin mindestens vier Jahre Haft vorsehe.

Vorgeworfen wird Holger G. zudem, dass er bei einem Kind Immunisierungen gegen Masern, Mumps und Röteln im Impfpass eingetragen habe, obwohl er diese nicht durchgeführt hatte. Laut Anklage gab er außerdem teils starke, apothekenpflichtige Medikamente an seine Patienten ab. Gegen zwei Mitarbeiterinnen einer Apotheke, von denen er die Arzneimittel bekommen haben soll, wird ebenfalls ermittelt.

Verhandelt wird der Fall des Unterhachinger Heilpraktikers noch an neun weiteren Prozesstagen. Für den 13. Juli ist ein Urteil geplant.  thi

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