Gutachter entlastet Manfred Genditzki

von Redaktion

Witwe starb laut Experte nach 15.30 Uhr

München – Wann genau am 28. Oktober 2008 ist Lieselotte Kortüm gestorben? Je später der Tod eingetreten ist, umso unwahrscheinlicher ist es, dass Manfred Genditzki sie getötet hat. Um den Todeszeitpunkt einzugrenzen, hat das Münchner Landgericht am Mittwoch Sachverständige vernommen.

Ihre Aufgabe war es, auf Grundlage gemessener Temperaturen mithilfe mathematischer Modelle den Todeszeitpunkt zu berechnen. Die zur Verfügung stehenden Daten waren spärlich: Bekannt war, dass bis 18.30 Uhr, als Pflegerinnen die Leiche der 87-Jährigen in ihrer Badewanne entdeckt haben, Wasser in die Wanne gelaufen war. Außerdem sind gegen 21 Uhr die Wassertemperatur und etwas später die Körpertemperatur der alten Dame gemessen worden.

Einer der Sachverständigen, ein Professor für Thermodynamik von der Universität Stuttgart, hat zunächst die Wassertemperatur zum Zeitpunkt des Todes der 87-Jährigen eingrenzt und daraus den frühesten Todeszeitpunkt mit 15.23 Uhr und den spätesten mit 17.06 Uhr angegeben. Lieselotte Kortüm sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit nach 15.30 Uhr“ gestorben, fasste der Professor zusammen. Schließt sich das Gericht diesen Ausführungen an, darf Genditzki auf einen Freispruch erster Klasse hoffen: Er konnte nämlich den Kassenbon eines mehrere Kilometer entfernten Supermarktes vorlegen, der um 15.30 Uhr ausgestellt worden ist. Und er hat wohl auch für die Zeit danach ein Alibi.

Genditzkis Karten könnten sich sogar weiter verbessern: Die Simulationen des Professors beruhen auf Annahmen aus dem Probationsverfahren, also dem Verfahren, in dem entschieden wird, ob ein Wiederaufnahmeverfahren durchgeführt wird. Der 62-Jährige ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden – rechtskräftig. Die damals zuständige Strafkammer sah es als erwiesen an, dass der Hausmeister Frau Kortüm in die Badewanne gestoßen hat. 13 Jahre ist er dafür im Gefängnis gesessen. Genditzkis Verteidiger gehen davon aus, dass die alte Dame unglücklich gestürzt ist.

Anders als im Probationsverfahren gilt im Wiederaufnahmeverfahren der Grundsatz: im Zweifel für den Angeklagten. Heißt: Den Simulationen sind bei unsicheren Daten solche zugrunde zu legen, die den Angeklagten begünstigen. Deshalb hat das Gericht den Professor gebeten, für die heutige Verhandlung angepasste Simulationen zu präsentieren. ANDREAS MÜLLER

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