Die Grabosch-Brüder aus Holzkirchen haben ein großes Ziel: Die vier Musketiere möchten als erstes deutsches Brüder-Nationalteam bei den Polo-Europameisterschaften 2023 teilnehmen. Bereits vor zwei Jahren hatten es die „Los Indianos“ in den Wettbewerb geschafft, wurden aber durch den Beinbruch von Paul Grabosch kurz vor dem Turnier ausgebremst. Jetzt wollen Paul (21), Anton (20), Emil (18) und Michl (16) voll durchstarten. Ein Gespräch mit Paul über eine außergewöhnliche Leidenschaft.
Und wo sind eure Pferde gerade untergebracht?
Mein Bruder Anton ist jetzt mit seinem Abitur fertig und kann deshalb mit der ganzen Herde – gerade in Spanien sein. Während der Turniersaison von Mai bis August sind wir in Chantilly bei Paris. Wir haben einen Wohnwagen und eine zehn Hektar große Koppel für unsere Pferde gepachtet, die dort in einer großen Herde zusammenstehen. Und wenn Turniere anstehen, ist der gesamte Familien-Clan da. Meine Mutter ist zuständig für die Physiotherapie, meine kleine Schwester für die gute Stimmung, und mein Vater ist Trainer, Teamarzt und fährt unsere Trucks. Wir machen übers Einreiten der jungen Pferde bis zum Hufbeschlag alles selbst.
Wie entstand eure Leidenschaft für den Polosport?
Das haben wir meinem kleinen Bruder zu verdanken. Anton beschloss 2009, Cowboy zu werden, weil er einen Film mit argentinischen Gauchos gesehen hatte. Da war er sechs Jahre alt. Und das hat unser Papa, der Zahnarzt ist, einer Patientin erzählt, die aus Argentinien stammt. Die fand das so cool, dass sie uns alle nach Argentinien einlud. Wir waren neun Monate dort. Die Schule hat uns beurlaubt, und wir haben wirklich echtes Cowboy-Leben und eben auch den Polosport kennengelernt. Mit allem, was dazugehört. Da war auch schnell klar, dass Polo vor allem viel Arbeit, viel Dreck, aber auch viel Natur und unendlich viel Zeit mit den Tieren bedeutet.
Liebe auf den ersten Blick?
Unbedingt. Und auch eine echt dauerhafte Beziehung, die ohne die Unterstützung vor allem unseres Vaters nicht funktionieren würde. Wir sind als „Los Indianos“ und mit fünf Pferden zurück nach Deutschland gekommen. Unser Papa hat dann gleich neben dem Poloclub in Holzkirchen ein Gelände gepachtet, auf dem wir unsere Pferde ausbilden und trainieren konnten.
Seid ihr gar nicht mehr hier?
Doch, die beiden Jüngeren gehen ja noch zur Schule. Wir sind inzwischen aber im Sommer hauptsächlich in Chantilly nordöstlich von Paris und im Herbst und Winter in Spanien. In Chantilly gibt es jedes Wochenende Turniere, auch für Jugendliche. Und wir haben genug Platz, um mit unseren Pferden zu leben und zu arbeiten.
Wie viele Tiere braucht man als Polo-Team?
Wir haben insgesamt 40 Pferde, jeder von uns im Prinzip zehn. Somit muss jedes Tier bei den Spielen nur drei Minuten am Stück im Einsatz sein. Das ist für das Tier und unser Spiel besser. Und jeder von uns hat zu seinen Pferden einen eigenen Bezug.
40 Pferde – die brauchen doch Platz, Futter und kosten in der Anschaffung ja auch noch ein bisschen…
Das stimmt – und ohne die Unterstützung unseres Vaters würde es sicher nicht gehen. Aber wir kaufen nie fertig ausgebildete Pferde, sondern arbeiten zum Beispiel mit Rennpferden, die noch sehr jung, aber vielleicht ein Ticken zu klein sind und deshalb für den Rennsport rausfallen. Wir bilden sie selbst aus und trainieren sie. Zum einen wegen der Kosten. Aber auch, weil es uns einfach Freude macht. Wir stehen mit den Pferden auf und gehen mit ihnen ins Bett. Dazwischen beschlagen wir, trainieren wir und misten aus. Alles, was dazugehört. Wir leben das, was Anton immer wollte: ein Cowboy-Leben.
Das habt ihr alles in Argentinien gelernt?
Dort haben wir alle wahnsinnig viel mitgenommen, aber sehr vieles haben wir uns auch durch die tägliche Arbeit und die Erfahrung angeeignet. Wir machen das jetzt schon 14 Jahre. Und zwar immer mindestens einer von uns rund um die Uhr. Dabei lernt man jeden Tag wieder etwas Neues.
Bleibt da noch Zeit für andere Hobbys und Freunde?
Anton und ich studieren inzwischen und haben beide Freundinnen, die auch reiten. Und insgesamt ist es für uns vier Brüder einfach das schönste Leben, das wir uns vorstellen können.
Wollt ihr Profis werden?
Nein. Wir möchten auf dem höchsten Niveau spielen, das wir in dieser Konstellation erreichen können. Und unser Vater hat uns klare Vorgaben gemacht, dass wir uns einen richtigen Beruf suchen, mit dem wir unsere Leidenschaft weiterführen können.
Auf welchem Niveau sind die Los Indianos unterwegs?
Insgesamt gibt es bei uns drei Ligen. Auf dem europäischen Festland spielen wir quasi in der höchsten Liga. In England gäbe es noch eine drüber. Aber das ist eher keine Option für uns. Wir möchten weiter zusammenspielen und auch unser Studium machen. Wir hatten und haben alle das Glück, dass unsere Schule die Los Indianos immer unterstützt hat.
Und was wäre, wenn einer von euch ein Mega-Angebot von einem europäischen Spitzenclub bekommen würde?
Das hatten wir schon. Aber keiner von uns möchte in einem anderen Team spielen. Das wäre ein anderes Leben. Und genau die Kombination in unserer Familie, wir als Brüder auf dem Feld, im Wohnwagen und auf der Koppel, würde keiner von uns gegen etwas anderes tauschen wollen.
Das klingt alles ziemlich romantisch. Gab es noch keine schwierigen Situationen?
Doch, 2021. Da hab ich einen Tritt eines Pferdes gegen das Schienbein bekommen, drei Wochen vor der Europameisterschaft. Das war unsere erste. Ich konnte nur mitspielen, weil mir mein Vater das eh schon gegipste Bein im Stiefel noch mal eingegipst hat. Wir wollten aber unbedingt antreten.
Im Sommer findet die EM in Düsseldorf statt. Seid Ihr als deutsches Nationalteam dabei?
Wir versuchen es, müssen uns aber erst mal qualifizieren. Aber nachdem es das letzte Mal auch geklappt hat, sind wir schon zuversichtlich und hoffen, dass wir als National-Team dabei sind. Und wenn es nicht klappt, gilt: Auf dem Rücken der Pferde liegt das Glück dieser Erde. Kein Scherz, es ist für jeden von uns das pure Glück, dieses Leben mit den Pferden und diesen Sport zu leben zu dürfen. Interview: Dorit Caspary