Richter bremsen Radentscheid aus

von Redaktion

VON CARINA ZIMNIOK

München – In der Heimat ihrer Mutter, erzählt Bernadette Felsch, ist kürzlich eine Ortsverbindungsstraße saniert worden. Zwischen Holzhausen und Münsing, im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Das ist eine beliebte Strecke von Ausflüglern auf dem Weg zum Starnberger See. Obwohl dort auch viele Radfahrer unterwegs sind, wurde im Zuge der Sanierung kein Radweg gebaut. „Als meine Mutter nachgefragt hat, hieß es: Das wurde nicht beauftragt“, sagt Bernadette Felsch. Die Radfahrer seien einfach nicht mitgedacht worden – wieder einmal.

Es sind Fälle wie diese, die die Vorsitzende des Fahrrad-Clubs ADFC in Bayern besonders ärgern. Und nach dem Scheitern des Volksbegehrens noch mehr. Am Mittwoch hatte der bayerische Verfassungsgerichtshof den Gesetzentwurf der Initiative „Radentscheid Bayern“ für unzulässig erklärt. Zuvor hatte das bayerische Innenministerium das Volksbegehren als unzulässig bewertet und den Antrag dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt. Die Urteilsbegründung nun ist lang, detailreich – im Kern wurde das Volksbegehren nicht zugelassen, weil einige der geforderten Regelungen in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingreifen würden. „Wir sind natürlich sehr enttäuscht“, sagt Felsch.

Mehr als 100 000 Unterschriften hatten die Initiatoren gesammelt, damit war die Hürde von mindestens 25 000 Unterstützern locker genommen. Das Ziel wäre gewesen: ein neues Radgesetz und eine Änderung weiterer Vorschriften. Zum Beispiel sollte an Sackgassen nach Möglichkeit mit einem Schild (das es laut Straßenverkehrsordnung bereits gibt) darauf hingewiesen werden, dass Radfahrer sie passieren dürfen. Das Gericht, so sagt Felsch, störte sich an der Formulierung „soll“ – das käme einer Verpflichtung gleich. Enttäuscht ist der ADFC auch darüber, dass die Aufnahme der Formulierung der „Vision Zero“ ins Gesetz als nicht umsetzbar beurteilt wurde. Der Begriff formuliert das Ziel, dass null („zero“) Radfahrer verletzt oder getötet werden sollen. In Berlin stehe er im Gesetz – bayerische Richter halten ihn für verfassungswidrig.

Trotz aller Enttäuschung sieht der ADFC aber auch einen positiven Effekt: „Wir haben der Staatsregierung Feuer unterm Hintern gemacht“, sagt Bernadette Felsch. Bereits vor zwei Wochen hatten CSU und Freie Wähler einen eigenen Entwurf für ein Radgesetz vorgelegt. Bis 2030 sollen demnach in Bayern 1500 Kilometer neue Radwege und ein landesweit durchgängiges Radverbindungsnetz entstehen. Ferner setzt das Gesetz auf mehr Verkehrssicherheit, eine zentralisierte Planung von Infrastrukturprojekten und eine günstigere Mitnahme des Fahrrads in der Bahn für einen Euro pro Fahrt und Rad. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause im Landtag verabschiedet werden.

Bayern sei ein Radland, kümmere sich schon immer sehr und gebe viel Geld dafür aus, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Fraktion, Tobias Reiß. Er räumte ein: „Natürlich hat das Volksbegehren jetzt noch einmal einen Schub gebracht.“ Der ADFC hofft nun, mit der Staatsregierung an dem Gesetzentwurf arbeiten zu können – es ginge ja um mehr Sicherheit für Radfahrer und nicht darum, wer das beste Gesetz habe. Zum Teil seien die Ziele der Staatsregierung nämlich zu vage. Und rechne man die 1500 Kilometer neuer Radwege auf die Kommunen um, wären das nur 91 Meter pro Jahr und Kommune. „Das ist zu wenig“, sagt Felsch, vor allem im Vergleich zu den Ausgaben für Straßen.

Sie hofft auch auf Rückenwind durch den Wahlkampf, möglicherweise zurecht. Während der Urteilsverkündung ließ Söder sich beim Spatenstich für einen neuen Radweg fotografieren. mit dpa

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