Gemüse oder Strom: Streit ums Ackerland

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

Ismaning – Der Alm hat nichts mit den Almen auf Oberbayerns Bergen zu tun. Der Name leitet sich ab vom lateinischen terra alba, das bedeutet weiße Erde. Um den Almboden, der während der letzten Eiszeiten vor 10 000 Jahren aus dem Schmelzwasser der Kalkalpen entstanden ist und sich in kilometerlangen weißen Schichten zwischen Ismaning und Erding durchs Erdreich zieht, zeichnet sich ein heftiger Kampf zwischen Ackerbauern und Photovoltaik-Anbietern ab.

Der kurz Alm genannte Boden ist so kostbar, weil die mächtige Kalkschicht große Räume für Wasser bildet. Dieser fruchtbare Boden ist die wirtschaftliche Grundlage der vielen Gemüsebauern, die im Münchner Norden und Nordosten Kraut, Kartoffeln, Sellerie, Zwiebeln, Karotten oder Mais anbauen.

Der Geologe Rolf Apel gerät nahezu ins Schwärmen, wenn er über den Alm spricht. Wenn in Ismaning ein neues Baugebiet ausgewiesen wird, wo Alm abgetragen werden muss, schmerzt es ihn körperlich. Denn dieser Boden ist eine weltweit geologische Rarität. Der Alm kann bei Trockenzeit durch die Kapillarwirkung sogar Wasser aus dem Grundwasser hochziehen. „Den Ackerböden, die auf dem Alm lagern, macht die Trockenheit, wie wir sie aus den letzten Jahren kennen, gar nicht so viel aus, weil der Alm als Schwamm die Wurzeln der Pflanzen immer mit Wasser versorgt. Das ist ideal für Gemüseanbau und Getreide“, erklärt der Geologe.

Doch landwirtschaftliche Flächen im Großraum München sind begehrt. Vermehrt bemühen sich Photovoltaik-Betreiber um größere Agrarflächen. Gemüsebauer Thomas Huber aus Finsing im Kreis Erding wurden schon 70 Hektar Pachtfläche gekündigt, auf denen er Kartoffeln anbaut. Das Problem: Die Summen, die für PV-Freiflächen gezahlt werden – die Rede ist von bis zu 4000 Euro pro Hektar – können Gemüsebauern nicht aufbringen.

Der Bezirksverband Oberbayern der Arbeitsgemeinschaft Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AG ELF) der CSU macht jetzt Druck. „Im Bereich der Gemeinde Ismaning – aber auch in vielen anderen Gemeinden Bayerns – finden derzeit Planungen statt, mehrere hundert Hektar hochwertiges Ackerland für den Ausbau von Freiflächen- PV-Anlagen umzunutzen“, warnt der oberbayerische ELF-Vorsitzende Michael Hamburger. „Unser Anliegen ist es, zunächst einmal die Alternativen heranzunehmen: Photovoltaik erst auf Dächern, Autobahnböschungen und Kiesgruben einrichten. Wenn das alles ausgereizt ist, kann man sich meinetwegen über Ackerflächen minderer Qualität unterhalten.“

Kartoffel- und Gemüsebauern wie Thomas Huber oder Franz Soller aus Ismaning haben nichts gegen Erneuerbare Energien. Aber: Die Anlagen sollten nicht auf fruchtbarem Ackerland aufgebaut werden, wo hochwertige Nahrungsmittel wachsen. Sie haben gute Argumente, liegt doch der Selbstversorgungsgrad mit Gemüse in Bayern bei unter 40 Prozent. Die Landwirte wissen: Wenn ein Grundbesitzer aus der Landwirtschaft aussteigt, interessiert es die Erben weniger, was auf dem Land angebaut wird. „Die wollen den maximalen Ertrag. Aber wir müssen auch auf die Ernährungslage schauen. Wo kommen die Nahrungsmittel her?“, fragt Hamburger. Da komme der Staat ins Spiel. Es gebe zwar eine Leitlinie, die angebe, welche Flächen für PV-Anlagen zu bevorzugen seien, weiß Florian Meier, Kreisvorsitzender der AG ELF München. „Da steht, dass Böden von besonderer ackerbaulicher Güte nicht dafür geeignet sind.“ Doch eine Empfehlung reicht den Bauern nicht. „Wir haben die ganzen Dächer frei und nehmen das wertvolle Ackerland für PV-Anlagen. Das kann’s doch nicht sein“, ärgert sich Soller.

Den Landwirten ist die schwierige Interessenlage bewusst: Die Politik suche händeringend nach alternativen Energien – und die Landwirte wollten ihre wirtschaftliche Existenz erhalten. Die Investoren wollten möglichst große, zusammenhängende Flächen, kein Kleinklein auf Dächern und an Böschungen. „Der Ansturm auf die Fläche ist da“, sagt Meier. Auch Kommunen, die ihre Klimaziele haben und wie der Kreis München bis 2040 CO2-neutral sein wollen, liebäugelten mit dem Bau großer Photovoltaik-Parks.

Die Bauern, die sich mit einer Petition an den Landtag gewendet haben, wollen sensibilisieren: Neben den regionalplanerischen Aspekten müssten auch die Bodengüte und die landwirtschaftlichen Ziele künftig im Landesentwicklungsplan eine Rolle spielen. Angesichts wachsender Trockenheit müsse man die Böden in der landwirtschaftlichen Produktion halten, auf denen man regionale Lebensmittel erzeugen kann. Hamburger hat eine Idee: „Wir haben riesige Ausgleichsflächen. Es müssten die Gesetze geändert werden, um auch PV-Anlagen auf diesen Ausgleichsflächen zu ermöglichen.“

Unterstützung finden die Bauern beim Geologen Apel. Die Klimaänderung zeige, dass es ständig wärmer werde. Schon jetzt sorgten einige Länder Europas vor und legten große Leitungen an, um Ackerflächen zu wässern. „Und wir haben das Glück, dass uns die Natur so einen Schwamm wie den Alm bietet. Und das zu zerstören für andere Tätigkeiten ist ein gewaltiger Schaden.“

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