Erding – Wäre da nicht das kleine Schild samt Holzstil mit dem Titel „Stoppt die Heizungs-Ideologie“ auf der Bühne, man könnte fast meinen, man wäre auf einem Konzert-Festival gelandet. Menschenmassen strömen am Samstagmorgen unter weiß-blauem Himmel auf den Volksfestplatz der Großen Kreisstadt Erding, 13 000 sind es zum Schluss, die eines eint: ihr Unmut über das geplante Energiegesetz der Ampel-Koalition in Berlin, vorneweg der Grünen.
Der Stau von der Autobahn bis zu den Parkplätzen in der Nähe ist lang und der Besucherstrom noch nicht abgerissen, als der Erdinger Initiator und Optikermeister Franz Widmann die Veranstaltung eröffnet. Langer Applaus und Jubelrufe regnen auf ihn und Mitorganisatorin, die Kabarettistin Monika Gruber, herab. Gruber merkt an, dass die Veranstaltung ursprünglich ohne Politiker geplant wurde – da habe es Kritik gehagelt. Nun, wo Politiker gekommen seien, sei es dem Publikum ebenso nicht recht. „Seien wir froh, dass Wahljahr ist, weil ansonsten wäre ich mit einem Optiker hier allein dagestanden“, witzelt sie.
Die Ampel-Koalition in Berlin habe den Mehrheitswillen der Bevölkerung aus dem Blick verloren, schimpft Gruber. „Die Mehrheit will kein Elektroauto, die Mehrheit will auch nicht Gendern, die wollen auch nicht gesagt bekommen, dass sie nur zehn Gramm Fleisch pro Tag essen dürfen“, erklärt sie begleitet von Jubelrufen.
Dann bittet sie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ans Mikrofon, der von einem großen Teil der Besucher niedergetrommelt, ausgepfiffen und angeschrien wird. Die meisten sind mit „Corona“-Schildern ausgestattet. „Hau ab“, rufen sie.. „Haut selber ab“, kontert Söder. „Wer so agiert, ist kein Demokrat für unser Land. Von solchen Leuten grenzen wir uns ab – und zwar grundlegend.“
Gruber bittet die Menge um „ein bissl mehr Respekt“. In seiner Rede grenzt sich der Ministerpräsident dann von der AfD ab, attackiert die Grünen, spricht sich für den Klimaschutz, aber gegen „dieses Heizungsgesetz“ aus. „Entweder gehen die Bürger oder der Staat in den Ruin: Ich hab keine Lust Seite an Seite mit den Grünen in die Pleite zu gehen“, wettert er.
Viel Beifall gibt es danach für den niederbayerischen Kaminkehrmeister, Energieberater und Landtagsabgeordneten Hans Ritt (CSU) und BBV-Präsident Günther Felßner, die aus der Praxis die Realitätsferne des Heizungsgesetzes, inklusive des Verbots von Holzheizungen, erklären.
Buh-Rufe kommen dann auf, als FDP-Landesvorsitzender Martin Hagen spricht. Der zieht jedoch das Publikum schnell auf seine Seite, indem er an dem Gesetzesentwurf und dem Grünen-Koalitionspartner kein gutes Haar lässt: Klar sei man für Klimaschutz, „aber das, was Robert Habeck vorgelegt hat, das ist Murks, das ist Mist, das ist nicht praxistauglich“.
Josef Ziegler, Präsident des Bayerischen Waldbesitzerverbands, spöttelt: „Ob Biomasse erneuerbar ist oder nicht hängt also davon ab, wo der Ofen steht. Was muss man rauchen, dass man auf solche Ideen kommt?“
Ein flammendes Plädoyer für das Essen von Fleisch und Wurst hält Andi Gassner, der Innungsmeister der Metzger- innung München: „Das gehört zum bayerischen Lebensgefühl.“ Jarno Hutterer, ein Bäckermeister aus Cham, erzählt, dass er aufgrund der hohen Stromkosten bald seine letzte von einst sieben Filialen schließen müsse, und meint zum Schluss unter riesigem Applaus: „Ich lasse aus meiner Heimat keine DDR 2.0 machen.“
Bevor der letzte Redner, Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auf die Bühne kommt (siehe Kasten), fragt Monika Gruber: „Wer von euch ist – so wie ich – zum ersten Mal auf einer Demo?“ Unzählige Hände gehen hoch, und sie schätzt: „Das sind 90 Prozent.“ Widmann freute sich am Ende der ohne Zwischenfälle abgelaufenen Veranstaltung, „dass so viele ganz normale Leute hier sind“. Und Gruber kündigt mit Blick auf die geplante Demo auf der Theresienwiese an: „Das war heute erst der Anfang.“
RAFFAEL SCHERER WOLFGANG KRZIZOK