Wie Fleischkonsum das Klima retten soll

von Redaktion

Naturschützer Weiger sorgt mit einem Interview für Wirbel – und bekommt Lob von Bauern

VON CARINA ZIMNIOK

München – Kühe schaden dem Klima, weil sie pupsen und rülpsen. Ha ha. Darüber schmunzeln erst mal viele. Dann wird es schnell ernst. Die Kuh ist ein Klimakiller, heißt es. Zündstoff im Verhältnis zwischen Bauern und Klimaschützern oder Veganern, und das seit die ersten Studien zum Methan-Ausstoß von Rindern aufkamen.

Und so ist es kein Wunder, dass Hubert Weiger (76), Ehrenpräsident des Bund Naturschutz in Bayern, kürzlich mit einem Plädoyer fürs Fleischessen für Wirbel sorgte. Weiger, der bis 2018 Bayerns oberster Naturschützer war, rief dazu auf, Fleisch zu essen, um die Umwelt zu schützen. Ausgerechnet! Naturschutz und Nackensteak, wie passt das zusammen?

Der Aufreger begann mit einem Interview, das Weiger dem BR gab. In einer Textfassung lautete die Schlagzeile „Vegane Ernährung schadet Klima- und Artenschutz“, darunter Weigers Zitat: „Esst Fleisch und trinkt Milch“.

Ein Anruf bei Hubert Weiger. Er will die verkürzten Aussagen erklären. „Fleisch essen kann ein Beitrag zum Klimaschutz sein“, sagt er. Aber nur, wenn nur so viele Tiere gehalten würden, wie aus der eigenen Futtergrundlage ernährt werden können. „Es braucht artgerechte Haltung und Fütterung. Wenn Tiere mit Kraftfutter aus Übersee zu Höchstleistungen gebracht werden oder nie die Sonne sehen, ist das eine Tierhaltungsform, von der wir uns auch aus Klimaschutzgründen dringend verabschieden müssen.“

Es ist so: Kühe produzieren Methan beim Wiederkäuen, wenn sie das Futter aus dem Pansen zurück ins Maul befördern. Sie rülpsen. Tatsächlich ist Methan neben CO2 eines der klimaschädlichen Treibhausgase, deren Konzentration in der Atmosphäre in den vergangenen 200 Jahren stark gestiegen ist. Nach wissenschaftlichen Schätzungen sind etwa 50 bis 60 Prozent der weltweiten Methan-Emissionen auf menschliche Aktivität zurückzuführen, dazu trägt wiederum die Rinderhaltung erheblich bei.

Die Frage ist: Wie viel Methan stoßen Rinder aus? Das hängt stark vom Futter ab. In Bayern gibt es das neue Forschungsprojekt „MethaCow“. Die Landesanstalt für Landwirtschaft misst auf dem Staatsgut Achselschwang am Ammersee Atemluft, Fressverhalten, Wiederkäuen und Tiergesundheit – und die Methanemissionen von Milchvieh. Die Forscher wollen herausfinden, ob sich diese durch die Fütterung beeinflussen lassen. Durch angepasste Fütterung könnte der Ausstoß gesenkt werden. Das Projekt läuft seit Ende Mai, erste Ergebnisse werden 2024 erwartet. Sie sollen Sachlichkeit in die emotional oft aufgeladene Debatte bringen.

Hubert Weiger versteht, dass viele, vor allem junge Menschen sich gegen den Konsum von tierischen Produkten entscheiden. Sie fragen sich, so Weiger, „in ihrer Verzweiflung über die Klimaschutzsituation, das Versagen der Politik und im Wissen, dass sie die Versäumnisse ausbaden müssen: Was kann ich machen? Auf Auto, Flugreisen verzichten… und eine vegane Ernährung. Das scheint eine richtige Antwort zu sein. Aber das ist es nicht.“ Vegetarisch ja, aber nicht vegan. Hinter Veganismus stünden seiner Meinung nach „ganz klar industrielle Absatzinteressen“.

Die Jugend beim Bund Naturschutz sieht das etwas anders. Vor einigen Monaten forderte die, auf BN-Veranstaltungen nur noch veganes Essen anzubieten. Vorstand Julian Fürholzer (22) sagt: „Der Konsum von tierischen Produkten muss dringend reduziert werden.“ Weiger fordert, den gesamten Kreislauf zu betrachten. „Wiederkäuer – nicht nur grasende Kühe, sondern alle Wiederkäuer, die wir landwirtschaftlich nutzen – sind von zentraler Bedeutung für die Nutzung von Wiesen und Weiden“, sagt er. Die seien wiederum entscheidend für den Klimaschutz. „Wir haben in Wiesenböden im Schnitt doppelt so viel Kohlenstoff gebunden wie in den Ackerböden.“ Weiger, der Forstwissenschaften studiert hat, sagt, es werde auf Wiesen sogar mehr Kohlenstoff gebunden als im Wald – das seien die wichtigsten Kohlenstoffspeicher.

Gleichzeitig hätten Wiesen eine riesige Bedeutung für die Artenvielfalt: „50 Prozent unserer Kräuter leben zentral in Wiesenlebensräumen und von einer Pflanze hängen bis zu 15 Insektenarten ab und damit auch Vogelarten.“ Wiesen und Weiden seien auch wichtig für die Wasserrückhaltung, sichern die Böden vor Erosion bei Starkregen, der immer häufiger auftritt. Wolle man diese Lebensräume erhalten, und „zwar nicht nur durch künstliche Mahd, sondern durch selektiven Biss der Weidetiere, dann brauchen wir Wiederkäuer“. Und damit natürlich die Verwertung, sei es in Form von Fleisch, Milch, Fell oder Haut.

Bei den Bauern hört man das gern. „Ich hab mich gefreut, das von Herrn Weiger zu hören“, sagt Christine Singer, Landesbäuerin beim Bayerischen Bauernverband. „Ich könnte es nicht besser erklären.“ Sie halte die bayerischen Landwirte für die Naturschützer schlechthin: „Wo ein Kuhfladen ist, da ist Leben pur.“

Dafür müssen die Tiere aber auch erst einmal in den Genuss kommen, unter freiem Himmel grasen zu dürfen. „Nur 17 Prozent der Rinder in Bayern“, sagt Julian Fürholzer von der BN-Jugend, „stehen tatsächlich auf der Weide.“

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