Rottach-Egern – Warum wurden 2008 eigentlich die Ermittlungen im Fall Lieselotte Kortüm aufgenommen? Mit dieser Frage beschäftigte sich gestern das Landgericht München I. Dort wird zum dritten Mal der vermeintliche Badewannenmord von Rottach-Egern bei Miesbach verhandelt. An einem Oktoberabend hatte der Pflegedienst die 87-jährige Frau tot in ihrer mit Wasser gefüllten Badewanne gefunden.
Zunächst sah alles nach einem Sturzgeschehen aus. Doch bei der Obduktion entdeckte der Rechtsmediziner zwei frische Hämatome am Hinterkopf. Erste Zweifel kamen auf, ob sich die alte Dame bei dem Sturz diese Verletzungen zugezogen haben konnte. Der Rechtsmediziner wurde damals gebeten, sich das Badezimmer anzuschauen. Zusammen mit der Kripo Miesbach stellte er bei einem Ortstermin einige Stürze nach und kam zu dem Ergebnis, dass die Anstoßstellen am Kopf nicht mit einem Alltagssturz in Einklang zu bringen waren. Das berichtete gestern eine Kripo-Beamtin, die 2008/2009 hauptsächlich die Ermittlungen geführt hatte.
In der Wohnung soll ihr der Forensiker dann erklärt haben, dass er jetzt von einem Tötungsdelikt und nicht von einem Sturz ausgehe. Das war neu in diesem Wiederaufnahme-Verfahren.
Doch die Kripo-Beamtin blieb bei ihrer Behauptung: „Ansonsten hätten wir nicht wegen eines Tötungsdeliktes ermittelt“, sagte sie. Die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl hatte sie zuvor darauf hingewiesen, dass die Situation im schriftlichen Gutachten deutlich vorsichtiger formuliert worden wäre. Darin hatte der Rechtsmediziner lediglich gesagt, dass die Kopfverletzungen nicht mit dem Sturz zusammenpassten. Aktuell gibt es allerdings Simulationen, die zeigen, dass sich Lieselotte Kortüm wohl doch den Kopf am Badewannenrand angestoßen haben könnte. Außerdem wurde der Todeszeitpunkt neu berechnet und später in den Nachmittag gelegt. Für diesen Zeitraum hat der angeklagte Hausmeister ein Alibi. Deshalb wurde er auch nach 13 Jahren frühzeitig aus der Haft entlassen.
Die Kripo-Beamtin zählte anschließend noch etliche Ungereimtheiten auf, weswegen der Hausmeister immer mehr in den Fokus der Ermittlungen geraten war. Da gab es verschwundenen Familienschmuck, zwei Pelzmäntel der alten Dame, die sich schon im Besitz seiner Familie fanden, 20 000 Euro, die sich in einer Geldkassette hätten befinden sollen.
Genditzki war mit 88 000 Euro verschuldet. Zudem hatte er für die 87-Jährige mehrere Schecks in fünfstelliger Höhe eingelöst. Doch in der Wohnung der Frau in Rottach-Egern gab es keine entsprechenden Wertgegenstände. „Wir wussten nicht, wo das Geld sein sollte“, sagte die Kriminalerin. Der Hausmeister hielt damals die bedrückende Situation nicht mehr aus. Er versuchte sich das Leben zu nehmen, trank Bier und nahm Schmerz- und Schlaftabletten. Doch er wurde rechtzeitig gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Indirekt kam der Suizidversuch für die Ermittler offenbar einem Schuldeingeständnis gleich. Der Prozess wird nächste Woche fortgesetzt.
VON ANGELA WALSE
Suizidversuch mit
Schmerz- und Schlaftabletten