Landesbäuerin will ins EU-Parlament

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

München – Christine Singer war kürzlich schon in Straßburg und Brüssel. Sie konnte sich bei Fahrten mit den Landfrauen und der Präsidentenkonferenz des Bayerischen Bauernverbands bereits die Wirkungsstätten ihres womöglich künftigen Aufgabengebietes ansehen – denn die Oberbayerin, die erst seit Oktober 2022 Landesbäuerin ist, strebt eine zusätzliche politische Karriere an. Sie will als Spitzenkandidatin der Freien Wähler Bayern ins Europaparlament einziehen. Morgen wird sie in München offiziell von Parteichef Hubert Aiwanger als Spitzenkandidatin vorgestellt.

Power fürs Europaparlament hat die 57-jährige Bäuerin aus Hofheim (Kreis Garmisch-Partenkirchen) wohl mehr als genug. Die Kinder sind erwachsen, Tochter Theresa (31) ist auf dem Milchviehbetrieb schon eingestiegen – und die ebenso energische wie ehrgeizige Landfrau will da die Probleme des ländlichen Raums zur Sprache bringen, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden. „Alles, was uns als Berufsstand an Gesetzen Probleme macht, das kommt aus Brüssel und wird in Berlin verschärft“, sagt sie. Genug zu tun also für eine bayerische Landfrau.

Dass rund um ihren Parteichef Aiwanger gerade eine heftige Debatte tobt, seit er bei der Demo in Erding umstrittene Äußerungen zur Demokratie von sich gegeben hat, ficht die Landesbäuerin nicht an. „Wenn mir normale Leit nirgends mehr hingehen, weil es heißt: das sind Rechte, weiß ich auch nicht, ob das richtig ist“, sagt sie. In dieser Dynamik dort habe sich Aiwanger vielleicht hinreißen lassen, sagt sie vorsichtig. Christine Singer jedenfalls hat das an ihrer Entscheidung nicht zweifeln lassen. Falls sie gewählt wird, würde die 57-Jährige die Nachfolge von Ulrike Müller aus Augsburg, ebenfalls Bäuerin, antreten. Diese war es auch, die Singer vor gut zwei Monaten ins Gespräch gebracht hatte. Nach zehn Jahren im Europaparlament kandidiert die Schwäbin jetzt für den Landtag.

Einen Interessenkonflikt zwischen Politik und Bauernverband sieht Singer nicht: „Mal ehrlich: Es ist doch legitim, dass Vertreter des Bauernverbands sich auch in der Politik engagieren. Die Landesbäuerin Annemarie Biechl war im Landtag – ich hab immer bewundert, wie sie beides gestemmt hat.“ Es werde doch immer beklagt, dass der Berufsstand nicht mehr in politischen Gremien vertreten sei. Was sie nicht sagt: Bislang waren es meist CSU-Gremien. Und die Freien Wähler sind durchaus ein Rivale im vorpolitischen Raum.

Bauernpräsident Günther Felßner sieht es als Auszeichnung für die Arbeit des Verbandes, wenn Spitzenvertreter für politische Führungsämter angefragt würden. Es sei gut, wenn Landwirte im Europäischen Parlament seien, die wüssten, wovon sie reden. Wie das im Falle einer Wahl werde und praktisch mit dem Amt der Landesbäuerin vereinbar sei, müsse man sehen. Die Satzung stehe dem nicht entgegen.

Wie alles unter einen Hut bringen? Darüber macht sich Singer schon Gedanken. „Aber da werden wir Wege finden. Ich war immer ein Teamplayer – und wir haben bei den Landfrauen überall tolle Leute auf allen Ebenen.“ Die Unterstützung ihrer Familie ist ihr sicher. „Mei Mo hat gsagt: Wennscht jetz na sogst, dann denkscht dei Leben lang darüber noch: War vielleicht was gwesen“, erzählt Singer und lacht. Und die Kinder sagen: „Mama, mach des.“

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