München – Wolfgang Benz (82) ist einer der profiliertesten Historiker für das Dritte Reich in Deutschland. Heute liest er in München im Bildungszentrum Einsteinstraße 28 (Eintritt frei, Anmeldung erbeten unter www.mvhs.de) aus seinem neuen Buch „Allein gegen Hitler. Leben und Tat des Johann Georg Elser“ (C. H. Beck Verlag, 224 Seiten, 27 Euro). Im Gespräch mit unserer Zeitung spricht er über Elsers gescheiterten Tyrannenmord.
Herr Professor Benz, Georg Elsers gescheitertes Attentat auf Adolf Hitler im Bürgerbräukeller ist berühmt – was trieb ihn an?
Alles mögliche, aber nicht seine kommunistische Haltung, die oft überbetont wird. Georg Elser war zwar in der Kommunistischen Partei, aber nur, weil die sich noch am ehesten für die Arbeiterschaft eingesetzt hat.
Was waren also die entscheidenden Faktoren?
Seine Erkenntnis, die Millionen hätten haben müssen: dass Hitler direkt auf einen Krieg zusteuert. Zudem war sein Gerechtigkeitssinn sehr ausgeprägt. Die von den Nazis propagierte Volksgemeinschaft, wo andererseits Löhne gekürzt wurden, die freie Wahl des Arbeitsplatzes verboten und das Leben des kleinen Mannes total reglementiert wurde, passte für ihn einfach nicht zusammen. Und als dritten Punkt besaß Elser einen ausgeprägten Freiheitsdrang, der mit einem sehr rebellischen Zug verbunden war. Seine Heimatregion, die schwäbische Ostalb, wehrte sich schon immer gegen ungerechte Obrigkeit und revoltierte gegen sie.
Welche Rolle spielte Georg Elsers Glaube?
Er war Christ, aber er hatte mit der Amtskirche nichts zu tun. Elser hatte große Skrupel, dass bei seinem Attentat viele Menschen sterben würden. Man weiß, dass er ab und zu in der Kirche gebetet hat. Was das für ihn bedeutet hatte, dass viele Menschen starben, aber der nicht, um den es ging, das weiß niemand. Später hat er in den Verhören gesagt, er würde so ein Attentat nicht mehr verüben. Aber ich glaube, er machte hier von dem selbstverständlichen Recht jedes vom Tod Bedrohten Gebrauch, zu lügen. Ich glaube nicht, dass er je an der Richtigkeit seines Anschlags gezweifelt hat. Er war hier mit sich, Gott und der Welt im Reinen.
Elser war einfacher Arbeiter – erstaunt Sie das?
Nein. Bildung macht den Menschen nicht intelligenter, im besten Falle hilft sie, beruflich erfolgreich zu sein. Die natürliche Intelligenz hat ihn zur richtigen Erkenntnis geführt – gepaart mit einer großen geistigen Selbstständigkeit und Unbeirrbarkeit. Viele haben gesehen, dass der Weg in die Katastrophe führt, aber sie haben den Kopf eingezogen. Diese Generation, die zur Obrigkeitshörigkeit erzogen wurde, sagte sich: Da kann man nichts machen.
Wird Elser zu wenig gewürdigt?
Wenn ich daran denke, wie mühsam es war, ihn überhaupt ins öffentliche Bewusstsein zu kriegen, dann sind wir heute ein gutes Stück weiter. Er hat ungefähr den Sockelrang eines Graf Stauffenberg.
Dabei hatte Stauffenberg sein Attentat erst verübt, als der Untergang seines Heimatlandes drohte.
Ja, das ist der entscheidende Unterschied, der auch auf die Geschwister Scholl zutrifft. Sophie war stramme Gruppenführerin beim Bund Deutscher Mädel, Hans hatte ein Hitler-Bild im Zimmer. Während alle anderen noch jubelten, begann Georg Elser, seine Erkenntnis in die Tat umzusetzen.
Das Gespräch führte Matthias Bieber