Der Polizei geht der Nachwuchs aus

von Redaktion

Früher war es ein Traumberuf, doch Schichtdienst und Anfeindungen schrecken viele ab

VON JACQUELINE MELZER

München – Springen, Sprinten, Bankdrücken: Wer zur Polizei will, muss körperlich fit sein. Mit zitternden Armen drücken die Bewerberinnen und Bewerber beim Einstellungstest der Bayerischen Bereitschaftspolizei in München die Langhantel nach oben, schnaufend laufen sie in der Halle ihre Runden. Die Anforderungen, die die Polizei an ihren Nachwuchs stellt, sind hoch. Doch viele junge Menschen reizt das nicht mehr. Der Polizei fallen die Bewerber weg.

Auf der 2. Qualifikationsebene, dem früheren „mittleren Dienst“, blieben im Freistaat 2022 sowie zum ersten von zwei Einstellungsterminen 2023 im März rund 100 Ausbildungsplätze unbesetzt, wie das Innenministerium mitteilte. Zum einen habe es an qualifizierten Bewerbern gefehlt, zum anderen hätten Bewerber auf den angebotenen Ausbildungsplatz verzichtet. Die bisher nicht erfolgten Einstellungen sollen bei späteren Einstellungsterminen nachgeholt werden, so das Ministerium.

„Nur durch das Vorziehen von Einstellungswilligen, die für September 2023 geplant waren, auf den Einstellungstermin März 2023 konnte ein Einstellungsfiasko abgewendet werden“, sagt Jürgen Köhnlein, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Bayern. „Wir müssen feststellen, dass wir uns im direkten Konkurrenzkampf mit der freien Wirtschaft und anderen Behörden befinden und wir in diesem Wettbewerb gerade ins Hintertreffen geraten.“

Eine der Hauptursachen dafür sieht Köhnlein in den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre: Die Gewalt gegen Beamte nehme zu, „Polizeibashing“ sorge zudem für eine Stimmung gegen den Polizeiberuf. „Insofern haben Querdenker, Corona-Kritiker und sonstige Polizei-Hasser schon Teilerfolge erzielt, denn die Attraktivität des Polizeiberufs hat deutlich gelitten“, so Köhnlein. „Und das wirkt sich negativ auf Bewerberzahlen aus und zehrt an den Kräften des bestehenden Personalkörpers.“

Die aktuellen Kandidaten in der Münchner Prüfungsstelle hat das nicht abgeschreckt. „Ich denke, dass insgesamt die Vorteile auch die negativen Aspekte ausgleichen können“, sagt etwa die 21-jährige Katja. Sie wolle Polizistin werden, um für andere Menschen da zu sein, ihnen zu helfen, sagt die Studentin. Außerdem finde sie den Job „total spannend“.

Am Morgen waren 13 Frauen und Männer zu dem Einstellungsverfahren in der Prüfungsstelle beim Münchner Ostbahnhof angetreten. Manche von ihnen gehen noch zur Schule, andere studieren, machen eine Ausbildung, dienen derzeit bei der Bundeswehr. „Das ganze Spektrum ist mit dabei“, sagt Prüferin Huber. Ab 16 Jahren könne man sich bewerben, manche Bewerber seien aber auch Ende 20 oder Anfang 30.

Nach einem Sprachtest und einem Grundfähigkeitstest, bei dem etwa das logische Denkvermögen oder die Konzentrationsfähigkeit der Bewerber geprüft wird, war für die ersten zwei Anwärter in München bereits Schluss. Polizeiinspektor Hecht muss dann mit Feingefühl die schlechte Nachricht übermitteln: „Für viele geht dann doch irgendwie ein Wunsch nicht in Erfüllung“, sagt er.

„Die Bayerische Polizei ist nach wie vor ein beliebter Arbeitgeber“, sagt Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Sie biete „einen sicheren Arbeitsplatz mit herausfordernden Aufgabenbereichen sowie vielfältigen Karrierechancen und ist ein Arbeitgeber mit einem hervorragenden Ruf“. Doch bevor die drei Frauen und sechs Männer, die es in München durch den ersten Prüfungstag geschafft haben, erfahren, ob sie ihre Ausbildung bei der Polizei beginnen können, erwarten sie noch Einzelinterviews und eine ärztliche Untersuchung. Fürs Erste zeigt sich Prüferin Huber aber zufrieden. „Heute war ein ganz gutes Bewerberfeld“, sagt sie.

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