Fehlalarm-Flut aus der Hosentasche

von Redaktion

VON TINA SCHNEIDER-RADING

München – „Bei uns gehen rund 50 Prozent mehr Notrufe ein als üblich, während die Zahl der tatsächlichen Einsätze konstant bleibt“, sagt Florentin von Kaufmann, Vorsitzender des Verbandes bayerischer Leitstellenbetreiber (vblb). Von Kaufmanns Kollege Marc Gistrichovsky, Abteilungsleiter der Integrierten Leitstelle Nürnberg, kann die Flut der Anrufe in Zahlen belegen: „Uns erreichen immer um die 270 Fehlanrufe am Tag.“ An manchen Tagen hätte sich die Zahl der Anrufe aus Nürnberg, Erlangen, Fürth und den umliegenden Landkreisen sogar verdoppelt. In der Landeshauptstadt habe es an einem Tag rund 800 Fehlanrufe gegeben, so ein Pressesprecher der Branddirektion München. Die Leitstellen schildern damit ein Problem, das zurzeit nicht nur in Bayern oder Deutschland, sondern weltweit auftritt.

Wer in Deutschland zum Spaß die Notrufnummer 112 wählt, macht sich strafbar. Die massenhaften Notrufe stammen von Smartphones, doch sie werden offenbar versehentlich und eigenständig vom Betriebssystem Android (Version 13) ausgelöst.

Erschütterungen oder das Ausschalten des Geräts aktivieren manchmal unbeabsichtigt die Notruf-Automatik, die sogenannte Emergency-SOS im Handy: „Oft bemerken die Besitzer der Smartphones nicht einmal, dass ihr Handy irrtümlich den Notruf gewählt und einen Anruf gestartet hat“, sagt Jürgen Meyer vom vblb.

Besonders oft sind Handys von Samsung und Google betroffen. Schuld für die Fehlfunktion ist ein falsch programmiertes Update. Die Hersteller haben das Problem bereits mit einem neuen Update behoben, die Handynutzer müssen jetzt allerdings selbst tätig werden: „Der Verband empfiehlt dringend allen Android-13-Benutzern, das neue Update zu installieren“, sagt Meyer.

Viele Nutzer sind mittlerweile dem Aufruf gefolgt und haben ihr Handy auf den neuesten Stand gebracht. Inzwischen gehen tatsächlich weniger irrtümliche Notrufe bei den Leitstellen ein. Und Gistrichovsky kann beruhigen: „Es war natürlich lästig, aber hat uns in keine kritische Situation gebracht. Doch die Arbeitsbelastung war natürlich höher.“ Denn die Leitstellen müssen bei jedem Anruf feststellen, ob sich eine Person in akuter Lebensgefahr befindet. „Wenn wir im Hintergrund Geräusche hören, wie zum Beispiel Gespräche oder Lachen, dann ist die Situation schnell klar“, sagt Gistrichovsky. „Wenn da aber nur Atemgeräusche sind, müssen wir die Situation schon überprüfen. Es könnte ja sein, dass da jemand gerade einen Schlaganfall hat.“

Auch Branddirektor von Kaufmann stimmt zu: „Erst wenn eindeutig klar ist, dass es sich um einen Fehlanruf handelt, wird das Gespräch beendet“, sagt der vblb-Vorsitzende. Gebe es in Einzelfällen keine Entwarnung, rücke der Rettungsdienst aus, nachdem die Feuerwehr den Notruf geortet habe, erklärt der Nürnberger Abteilungsleiter Gistrichovsky. Die schnelle Hilfe im Notfall ist also trotz des Programmfehlers immer gesichert.

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