Schauspielerin Maria Furtwängler (u.a. „Tatort“) ist eine große Natur- und Insektenliebhaberin – das setzt sie auch daheim am Tegernsee um. Doch das Engagement einzelner reicht nicht, sagt die 56-Jährige. Deshalb kämpft sie für ein Renaturierungsgesetz, über das der EU-Umweltausschuss heute abstimmt (siehe Politik-Teil). Bis 2030 sollen in einem ersten Schritt geschädigte Ökosysteme auf 30 Prozent der EU-Fläche wiederhergestellt werden – so soll ein gewaltiges Artensterben verhindert werden.
Frau Furtwängler, wie sieht Ihr Garten aus, was bietet er den Insekten?
Der bietet allerlei. Zum Beispiel eine artenreiche Blühwiese, die zu Beginn recht pflegeintensiv war – ich dachte, das wäre einfacher. Ich habe auch einen Magerwiesenteil und zwei Feuchtbiotope mit reichlich Libellen. Dazu viele Sträucher, Obstbäume. Extra für den Zitronenfalter habe ich Kreuzdorn und einen Faulbaum angepflanzt.
Das klingt nach einem wunderbar wilden Paradies – und nicht nach Rasenkantenschneider.
Ich bin hier im Tegernseer Tal aufgewachsen, früher habe ich mit meiner Mutter den Löwenzahn aus dem Rasen gestochen, damit er vermeintlich perfekt ist. Aber inzwischen lasse ich den wachsen: Da wächst Klee, kriechender Günsel und viele weitere Pflanzen, die gut sind für Insekten. Denn davon gibt es leider immer weniger, alleine in Deutschland sind die Insektenbestände seit 1990 um 80 Prozent zurückgegangen. Das muss man sich mal vorstellen.
Bemerken Sie das Insektensterben persönlich?
Auf jeden Fall. Wenn ich daran denke, wie viele Insekten und Schmetterlinge es noch in meiner Jugend gab! Wenn wir früher mit dem Auto nach Italien gefahren sind, mussten wir spätestens am Brenner die Scheiben wischen, so viele Insekten klebten dran. Ich glaube, diese Eimer mit den Wischern an den Tankstellen gibt es schon gar nicht mehr.
Sie haben sich in das Thema richtig reingefuchst…
Ja, weil es wichtig ist. Wir sind abhängig von Insekten als Bestäuber, sie regulieren die Schädlinge, sind Nahrung für alle Vogelarten. Acker- und Wiesenvögel sind in Europa seit den 80ern um 60 Prozent zurückgegangen. Allein dieser Schwund zeigt, dass in der Natur grundsätzlich etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist. Wir müssen uns klar machen, was wir hier drauf und dran sind, alles zu verlieren.
Zum Beispiel?
Denken Sie an Schwalben, an Mauersegler, die ernähren sich ausschließlich von Insekten. Mit dem Gesang bestimmter Vögel identifizieren wir uns doch! Wir Menschen sind auf intakte Ökosysteme angewiesen, die Fruchtbarkeit von Böden hängt zum Beispiel auch von Insekten ab. Gerade in einer Zeit, in der durch Extremwetterereignisse der Druck auf die Natur immer größer wird, brauchen wir widerstandsfähige Ökosysteme.
Die EU will ein Fünftel der Landfläche renaturieren – und zwar schon bis 2030. Das macht vielen Bauern Sorge. Verstehen Sie das?
Unbedingt, ich habe großes Verständnis für die Sorge vor zu viel Regulation. In unserer Gegend sieht man ja auch, wie rasant und dramatisch das Höfesterben voranschreitet. Aber wir müssen etwas ändern. Wenn die Landwirtschaft dazu beiträgt, diese Ökosysteme zu schützen, dann ist das eine Leistung für die Gesellschaft. Das muss natürlich entlohnt werden. Man kann nicht einfach zu den Landwirten sagen, lass drei Äcker liegen und schütte weniger Gift drauf.
Wie könnte das klappen?
In Dänemark zum Beispiel haben sie angefangen, Pestizide, je nachdem wie problematisch sie für Mensch und Natur sind, zu besteuern. In Italien wurde mal überlegt, nachhaltig hergestellte Produkte von der Mehrwertsteuer zu befreien. Am besten wäre es, wenn wir die Folgekosten der Herstellung eines Produkts mit einpreisen würden. Wir müssen die Ausgaben für vitale Ökosysteme steuerlich und buchhalterisch als das behandeln was sie sind: Investitionen in kritische Infrastruktur.
Sie klingen wie eine Umweltpolitikerin. Sind Sie politisch?
Politisch bedeutet für mich nicht parteipolitisch. Artenschutz, Erhalt der Biodiversität geht uns alle an. Ich bin in der Fraktion Artenschutz. Es geht um unseren Planeten, um unser Überleben, das hat mit einer Partei nichts zu tun. Mir geht es um das, was ich liebe und was ich bedroht sehe, nämlich diese unfassbar schöne, lebensspendende Natur.
Die EVP-Fraktion und damit auch die CSU ist gegen das geplante Renaturierungsgesetz der EU. Haben Sie Politiker um Unterstützung gebeten?
Es gibt Menschen innerhalb der CSU, die ich sehr schätze und die habe ich schon gefragt, ob es im Interesse einer wertkonservativen und christlichen Politik ist, gegen diese Pläne zu sein. Ich würde mir wünschen, dass nicht aus rein parteitaktischen Gründen Dinge verhindert werden, die den europäischen Naturraum erheblich aufwerten und resilienter machen würden. Es geht doch um den Erhalt der Schöpfung!
Und welche Antwort haben Sie bekommen?
Es ist ein spannender Dialog. Ich finde es schade, dass die Konservativen dieses Thema in Deutschland gar nicht mehr besetzen. In England ist das ganz anders, da gehen die konservativen Parteien mit den Themen rund um Umweltschutz in den Wahlkampf.
In diesem Sommer soll auch über eine Reduzierung des Pestizid-Einsatzes entschieden werden. Auch das sieht die Lobby kritisch. Hat Umweltschutz dagegen eine Chance?
Deutschland gehört zu den größten Pestizidherstellern der Welt und übrigens sind rund ein Drittel der exportierten Pestizide hierzulande wegen ihrer Gefährlichkeit längst verboten. Natürlich steht da eine sehr starke Lobby dahinter. Dabei gibt es längst Modelle, die zeigen, dass auch in der konservativen Landwirtschaft eine bedarfsangepasste, deutlich reduzierte Pestizidausbringung möglich ist. Ein konventionell hergestellter Apfel zum Beispiel wird im Schnitt 30 mal gespritzt, Antibiotika inklusive. Das ist mit dem Schutz eines Ökosystems nicht mehr vereinbar.
Ein Teil der Bauern fürchten um die Existenz, wenn sie weniger Pestizide ausbringen dürfen.
Ich habe größten Respekt vor der Leistung der Bauern. Zehn Höfe sterben täglich in Deutschland, das ist absurd –und nicht hinnehmbar. Wir entwickeln zu dem Thema sogar gerade ein „Tatort“-Drehbuch. Aber ein Weiter so funktioniert einfach nicht. Wir sind ein Teil dieser Erde, wir sind abhängig von funktionierenden Ökosystemleistungen wie frisches Wasser, Nahrung, Sauerstoff zum Atmen. Diese Tatsache sollte jenseits von kurzfristigen ökonomischen Überlegungen wieder Teil unserer Debatte werden.
Interview: Carina Zimniok