Querschläger in der Koalition

von Redaktion

CSU und Freie Wähler streiten über Wald und Wild – und über Kompetenzen

VON DIRK WALTER UND CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Jäger gegen Waldbesitzer, Freie Wähler gegen CSU, Aiwanger gegen Söder – der neue „Waldpakt“ bietet reichlich Munition für den Wahlkampf und sorgt für einen Koalitionskrach. Die Freien Wähler fordern vom Ministerpräsidenten, dass er den soeben erst unterzeichneten „Pakt“ neu verhandelt.

Der Waldpakt ist keine neue Erfindung, es gibt ihn seit 2004, er wird regelmäßig fortgeschrieben. Schon in der Version von 2018 gibt es ein Kapitel über „Wald vor Wild“. Die jetzige Fassung, von Markus Söder mit Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) und den Präsidenten von Waldbesitzern und Bauern am Sonntag in Kelheim unterzeichnet, ist aber schärfer gefasst. „Der im Bayerischen Waldgesetz verankerte Grundsatz ,Wald vor Wild‘ ist aktueller und wichtiger denn je“, steht da. Das Ökosystem Wald habe „Vorrang vor Einzelinteressen an hohen Wildbeständen“. Und: „Zu hohe Schalenwildbestände gehen zu Lasten der Baumarten.“

Solche Passagen richten sich an die Jäger, die angeblich zu wenig Reh und Rotwild schießen. In den Vorläufer-Pakten war das so nicht enthalten. Interessant findet Ralf Straußberger, Waldreferent beim Bund Naturschutz, auch die neue Formulierung, es seien „Anpassungen im Jagdrecht“ zu ergreifen. Der BN fordert schon seit Langem, beispielsweise Jagdzeiten auszuweiten, fallweise einen körperlichen Nachweis bei den Abschüssen zu verlangen oder auch Rotwildabschuss im Wintergatter zu erlauben.

Solche Positionen sind für viele Jäger ein Tabu. Schon die griffige Formel „Wald vor Wild“ ist ihnen ein Graus. Viele würden lieber „Wald und Wild“ schreiben. Und was heißt schon „hohe Wildbestände“? Wann ist zu viel Wild im Wald? Das sind bei Jägern, Landwirten und Waldbesitzern umstrittene Themen – nun auch im Wahlkampf und in der Koalition. Die Betroffenheiten sind groß – es gibt über 700 000 Waldbesitzer und Forstbetriebe.

Der Bayerische Jagdverband war (wie in der Vergangenheit übrigens auch) am Waldpakt nicht beteiligt, ist jetzt aber über die Vorgehensweise arg verschnupft. Er nehme den Waldpakt, „der ohne seine Beteiligung zustande kommt, interessiert zur Kenntnis“, schrieb Jagdpräsident (und Noch-CSU-Abgeordneter) Ernst Weidenbusch. Deutlicher wird Jagd-Vizepräsident Roland Weigert (FW): Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium fordert gegenüber unserer Zeitung ein „Nachschärfen oder Updaten“ des Pakts. Die Jäger müssten einbezogen werden, „ich setze da auf Hubert Aiwanger und Markus Söder“. Die FW-Fraktionsspitze zeigte sich „irritiert“ über die „einseitige Unterzeichnung“, in die der Koalitionspartner „nicht einbezogen“ worden sei.

In der CSU sieht man null Anlass für Nachverhandlungen. „Die Aufregung der Freien Wähler können wir in keiner Weise nachvollziehen. Die Waldpolitik liegt seit je her in der Ressortzuständigkeit des Forstministeriums“, sagt Kaniber unserer Zeitung. Die Freien Wähler, so merkt sie an, säßen inhaltlich offenbar einem „Missverständnis“ auf. Die Schritte entsprächen genau dem Koalitionsvertrag, Aiwanger sei „schriftlich unterrichtet“ worden. Der Vorwurf, die Schuld für Waldschäden werde allein bei den Wildtieren gesucht, sei „nicht nachvollziehbar“. Kaniber sagt: „Das sieht niemand so und das geht auch in keiner Weise aus dem Waldpakt hervor.“

Jenseits der forstlichen Details: Das Verhältnis zwischen Kaniber und Aiwanger darf man vorsichtig als „angespannt“ umschreiben. Der Freie-Wähler-Chef, eigentlich Wirtschaftsminister, kümmert sich intensiv um Ernährungsfragen und alle Bauern-Themen von Wolf bis Kuhfladen – er sieht hier großes Wählerpotenzial. Jäger ist er auch. Die CSU beackert derweil die Wirtschafts- und Hightechpolitik und deutet an, dass Aiwanger hier recht große Lücken lasse.

Ganz am Rande gibt es auch andere Einwände gegen den Waldpakt: Naturschützer wehren sich dagegen, dass eine „aktive Waldbewirtschaftung“ gefordert und eine „Stilllegung“ ausgeschlossen wird. Damit werde der Naturwald etwa in Nationalparks schlechtgeredet.

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