München – Die Diskussionen über die Folgen der dramatischen Austrittszahlen bei der katholischen Kirche halten an. So zeigt sich der frühere Bundestags-Vizepräsident Johannes Singhammer (CSU) erschüttert über die hohen Austrittszahlen. Singhammer, der auch Mitglied im Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum München und Freising ist, erklärte gegenüber unserer Zeitung: „Auch wenn viele mit dem Verlassen der Kirche nicht ihr Christsein aufgeben, erschüttert diese Fluchtbewegung zunehmend die Statik unserer gesellschaftlichen Verfasstheit. Und in der Kirche muss spätestens jetzt jedem klar sein, dass es ans Eingemachte geht.“
Die bisherigen Strategien, die Kirchenflucht zu stoppen, seien nur begrenzt erfolgreich. Einigkeit herrsche bei allen, „dass der schreckliche Missbrauchsskandal eine entscheidende Ursache der Austrittslawine“ sei – und dass die Kirche „immer auch Veränderungen bedarf“. Ob allerdings eine möglichst schnelle Umsetzung des Synodalen Wegs „statt Austritten wieder auch Eintritte bewirkt, darüber herrscht schon weniger Einigkeit“. Beim Ringen um die Zukunft der Kirchenverfassung dürfe niemals der Eindruck entstehen, dass die Fähigkeit des geschwisterlichen Brückenbauens weniger gefragt sei. Singhammer spricht sich gegen eine parteipolitische Kirche aus. In Kriegszeiten erwarteten die Menschen von der Kirche Orientierung und Hoffnung.
Auch der Sprecher der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“, Christian Weisner, sieht in der schleppenden Aufarbeitung der Missbrauchsfälle einen Grund für die Austrittswelle. Die Kirche scheitere daran, die Ursachen von sexualisierter Gewalt entschieden anzugehen.
Anders als Singhammer fordert er schnelle Veränderungen. Die Reformthemen lägen alle auf dem Tisch, sie müssten nun angegangen werden. Die Bischöfe Stefan Oster aus Passau, Rudolf Voderholzer aus Regensburg, Gregor Maria Hanke aus Eichstätt und Kardinal Rainer Maria Woelki haben aber am 20. Juni erklärt, dass ihre Bistümer kein Geld für ein neues Entscheidungsgremium mit Beteiligung von Laien geben werden. Das führte in der Bischofskonferenz zu heftigem Streit. mm