Probelauf für 1933: Ein bayerischer NS-Putschist in Thüringen

von Redaktion

Vergangenen Sonntag geriet Thüringen in die Schlagzeilen – im Landkreis Sonneberg wurde erstmals in Deutschland ein AfD-Kandidat zum Landrat gewählt. Es mag nun Zufall sein oder auch nicht – aber Thüringen war auch in der Weimarer Zeit in gewisser Weise Vorreiter bei der Aushöhlung der Demokratie: Es war das erste Bundesland, in dem die NSDAP in der Weimarer Republik – weit vor der NS-„Machtergreifung“ 1933 – an einer Landesregierung beteiligt wurde.

Die sogenannte Landesregierung Baum-Frick – benannt nach dem Ministerpräsidenten Erwin Baum (Landbund) und seinem aus Bayern importierten Stellvertreter Wilhelm Frick (NSDAP) – amtierte seit dem 23. Januar 1930, nachdem die NSDAP bei den Landtagswahlen im Dezember 1929 mit 6 von 53 Mandaten zur drittstärksten Kraft gewählt worden war. Fünf Parteien unter Ausschluss der SPD hatten die Koalitionsregierung gebildet.

Wilhelm Frick, der das kombinierte Amt des Innen- und Schulministers (Volksbildung hieß es damals) übernahm, war als Fraktionschef der NSDAP im Reichstag schon damals einer der prominentesten Nationalsozialisten. 1877 in der bayerischen Pfalz als Sohn eines Lehrers geboren, studierte er Rechtswissenschaft und machte seit 1917 in der Polizeidirektion München Karriere. Zunächst im Kriegswucheramt, übernahm er 1919 die Leitung der Politischen Polizei, die bei der Vertuschung von politischen Mordtaten eine unrühmliche Rolle übernahm. 1921, als sein Förderer Gustav von Kahr als Ministerpräsident zurückgetreten war, musste auch Frick seinen sensiblen Posten räumen. Er übernahm die Kriminalpolizei. Politisch sympathisierte Frick zu dieser Zeit schon stark mit der NSDAP, er war Mitglied im Kampfbund, einer Vereinigung von Militärbünden. Beim Hitlerputsch am 8./9. November 1923 eilte Frick sogleich ins Polizeipräsidium in der Ettstraße – aber nicht, um dort gegen die Putschisten zu wirken, sondern um die Behörde lahmzulegen. Er sollte im Falle eines siegreichen Putsches Polizeichef werden.

Das misslang – und Frick wurde kurzzeitig festgenommen. Obwohl vom Volksgericht München 1924 wegen Hochverrats zu einer (milden) Haftstrafe verurteilt und auf Bewährung freigelassen, behielt er seinen Beamtenstatus. Die Disziplinarkammer urteilte in einem Skandalurteil, das der ehemalige Archivar Reinhard Weber 1994 in den „Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte“ publiziert hat, Frick sei „ein tüchtiger Beamter von makelloser Vergangenheit“. Daher konnte er als Oberregierungsrat beim Oberversicherungsamt München nominell im bayerischen Staatsdienst bleiben.

Frick war nur bis April 1931 Minister in Thüringen. In diese Zeit fällt sein Bemühen, Hitler zum Gendarmeriekommandanten von Hildburghausen zu machen und ihm so die deutsche Staatsbürgerschaft zu verleihen (was nicht klappte). Er entfernte sozialistisch gesinnte Beamte aus dem Staatsdienst und stellte einen berüchtigten Vertreter der Rassenlehre als Universitätsprofessor an.

Frick war ein Überzeugungstäter, der 1933 zum Reichsinnenminister avancierte – als der er neues Unheil anrichtete. 1946 wurde er auf Geheiß der Alliierten hingerichtet. DIRK WALTER

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