Erding/Bad Wörishofen – Nackt baden unter Palmen – im Unterallgäu war das jahrelang möglich und die Therme Bad Wörishofen bekannt für den Nacktbade-Samstagabend. Seit 2021 ist Schluss. Die Pandemie hat das Spezialangebot beerdigt. Nackedeis sind seitdem nur noch im Sauna-Bereich erlaubt – aber auch der verändert sich.
„Immer mehr Menschen entdecken die positiven Eigenschaften des Saunierens für sich, aber nicht jeder Gast möchte die Sauna unbekleidet nutzen“, sagt Geschäftsleiterin Birgit Ernst. „Daher planen wir das Angebot um zwei neue Textil-Saunen zu erweitern.“ Schon jetzt bieten zwei Kräuter-Saunen und zwei Dampfbäder die Möglichkeit, in Shorts oder Badeanzug zu schwitzen. „Das textile Angebot wurde in den letzten Jahren verstärkt angenommen“, so Ernst. Viele Textil-Saunisten hätten sich den Ausbau des Angebots lange gewünscht.
Auch in der Therme Erding boomen die textilen Angebote. „Die VitalOase wurde 2007 gegründet und ist bis heute der Bereich mit dem stärksten Wachstum“, sagt Geschäftsleiter Marcus Maier. Der Textilbereich, der ab 16 Jahren genutzt werden darf, wurde erst um die Vitalquellen, dann um den Kugulus erweitert. An einem Spitzentag saunen hier insgesamt bis zu 1000 Personen.
„Das Angebot wird von jeder Altersgruppe genutzt, wir stellen aber vermehrt junge Paare und Leute fest, die sich hier als Einsteiger ohne Hemmungen an das Saunieren heranführen lassen“, sagt Maier. Also ist es die Jugend, die beim Sauna-Gang nicht mehr blankziehen will? „Ich glaube nicht, dass textiles Wellness wegen steigenden Schamgefühls beliebter wird“, sagt Maier. „Aber ein Grund des Aufschwungs ist sicherlich kulturell bedingt.“
Denn eines vergisst der Deutsche gerne: Fast nirgends lässt es sich so ungeniert saunieren wie hier. „Nur bei uns, in Österreich, Südtirol, in der deutschsprachigen Schweiz, den Niederlanden und teils in Skandinavien wird nackt sauniert“, sagt Martin Niederstein vom Deutschen Sauna-Bund. „Vielleicht auch an der polnischen Grenze – eben bis das Land zu katholisch wird. In Rom steht nackt Saunen zwar nicht unter Strafe, würde aber wohl schnell unterbunden.“ Die internationale Sauna-Kultur ist komplex: In Spanien, Finnland und den USA wird nur im Kreise der Familie nackig geschwitzt.
Zurück nach Bayern: Noch vor fünf Jahren fand der verhüllte Sauna-Gang im Kreis München keine große Fan-Gemeinde – im Gegenteil. Als der Freizeitpark Grünwald 2018 den bekleideten Sauna-Gang verpflichtend für jeden zweiten Dienstag einführte, schrien eingefleischte Saunisten auf. Die Idee, die jüngeres Publikum locken sollte, wurde zum Skandal. „Badeanzug und Shorts bei 96 Grad? Wenn einer gschamig is, soll er sich ein Handtuch umlegen“, wetterte ein Stammgast, der sich in seiner Freiheit gestört fühlte und sich um Hygiene sorgte.
Nur ein halbes Jahr später war Polyester in der Sauna wieder verboten. „Das wurde damals nicht stark nachgefragt“, sagt Geschäftsführer Jörn-Torsten Verleger heute. „Seit seiner Abschaffung hat es auch niemand vermisst.“
Martin Niederstein wundert das nicht. „Ich halte Textil-Saunen hierzulande noch immer für ein Nischen-Angebot“, sagt er. „So lassen sich wohl jüngere Kunden, die meist noch schambedachter sind, leichter abholen.“ Denn eines stellt Niederstein fest: Prüderie nimmt wieder zu. „Im Gegensatz zu den Sozialen Medien ist die Realität ungefiltert – vielleicht verunsichert das“, vermutet er. „Zudem hat die Pandemie das befeuert, was ich Cocooning nenne. Also, das Ein- und Abkapseln von anderen.“
Auch diesen Trend bedienen die Thermen. In Bad Wörishofen entstehen jetzt neue Exklusiv-Suiten und acht hochwertig eingerichtete Deluxe-Suiten. In Erding sind die Relax-Eggs, also XXL-Strandkörbe, und die über 30 privaten Suiten und Chalets heiß begehrt. „Viele Gäste legen Wert auf diesen Exklusivitätscharakter und gönnen sich Luxus und Privatsphäre“, sagt Maier.
„Gegen exklusives Saunen habe ich nichts, jeder soll sich wohlfühlen“, sagt Niederstein, verteidigt aber das Nacktsein an sich: „Wenn alle nackt sind, sind alle gleich. Und wer vor der Sauna seine Kleidung ablegt, lässt auch seine Probleme zurück.“
Auch die Probleme, die Kleidung in der Sauna mit sich bringen kann, sieht Niederstein kritisch: „Dadurch kann es zum Hitzestau kommen.“ Ein Handtuch liege nur leicht auf, ein Badeanzug dagegen eng an. „Über den Schweiß auf der Haut kühlen wir uns ja selbst ab.“ Jedes Textil behindere den Prozess, im schlimmsten Fall riskiere man Hautreizungen, Ekzeme oder Verbrennungen durch Metallverschlüsse. „Zudem kann feuchtwarme Kleidung die Verbreitung von Bakterien und Pilzen fördern.“
Sowohl die klassische als auch die Textil-Sauna würden gleichermaßen gewissenhaft gereinigt, erklärt Maier von der Therme Erding. Das Wasser in den Becken werde durch eine extrem hohe Umwälzung binnen einer Stunde komplett neu aufbereitet. „Außerdem“, so Maier, „wird es im textilen Bereich maximal auf 60 Grad aufgegossen.“ Das schont Saunisten in Badeanzug und Shorts.