Wer im Klub langer Menschen Mitglied werden möchte, muss als Frau mindestens 1,80 und als Mann 1,90 Meter groß sein. Das ist seit der Gründung des Vereins vor 70 Jahren so. Heute hat der Klub weitweit über 3000 Mitglieder. Olaf Göltl (63) aus Mering im Kreis Aichach-Friedberg leitet den Verein. Er ist 2,07 Meter groß. Mit den Nachteilen als großer Mensch hat er gelernt umzugehen – er berichtet, wann er von seiner Größe sogar profitiert.
Ihr Verein heißt Klub langer Menschen. Warum nicht Klub großer Menschen?
Groß hat auch immer was mit breit zu tun. Und bei uns sind ja nicht alle lang und breit, sondern die meisten nur lang.
Wie lang sind die längsten Mitglieder bei Ihnen?
In Deutschland war es lange der Herr Klein mit 2,24 Meter aus dem Verein in Frankfurt. In München können wir es gar nicht genau sagen, im Aufnahme-Antrag müssen Neumitglieder nur angeben, dass sie die Mindestgröße haben. Wir messen nicht nach.
Heuer wird beim Klub richtig gefeiert – 70 Jahre ist er alt. Wie ist er entstanden?
1953 haben sich zwei ziemlich lange ehemalige Schulfreunde zufällig in München wiedergetroffen und den Klub gegründet, damals noch als Klub langer Männer. Das hat sich aber dann schnell geändert. Frauen sind seit Mitte der 1950er-Jahre herzlich willkommen. Inzwischen gibt es nicht nur deutschlandweit, sondern auf der ganzen Welt Ableger des Klubs langer Menschen.
Wie sind Sie selbst zum Verein gekommen?
Ohne den Klub gäbe es mich vermutlich gar nicht. Meine Eltern waren schon Mitglieder und haben sich 1954 dort kennengelernt. Meine 2,07 Meter sind also keine große Überraschung. Meine Mutter hat es auf 1,83 Meter gebracht und mein Vater auf 1,94 Meter. Also für damalige Zeiten schon sehr beachtlich. Meine Frau ist 1,83 Meter groß – das passt perfekt zu mir. Wir haben uns auch im Klub kennengelernt, 1981 in der Jugendgruppe, die ich damals geleitet habe.
Wie schaut das Vereinsleben denn aus?
Wir treffen uns jeden dritten Donnerstag im Monat im Wirtshaus Gartenstadt am Mangfallplatz. Da sitzen wir zusammen wie jeder andere Stammtisch auch. Wir unternehmen aber auch viel gemeinsam. Wanderungen stehen auf dem Programm, Ausflüge und vieles mehr. Jetzt zum Jubiläum sind wir drei Tage am Bodensee unterwegs. Dafür haben wir einen Bus mit mehr Beinfreiheit. Ich schaue mir die Hotels an, ob die Toiletten nicht zu niedrig sind, ob die Betten groß genug sind oder zumindest kein Fußteil haben, damit wir genug Platz beim Schlafen haben.
Im Alltag geht das vermutlich nicht immer. Wie lösen Sie da solche Probleme?
Manchmal ehrlicherweise gar nicht. Meine Frau und ich fliegen nicht mehr. Das ist platzmäßig einfach zu eng. Und zwei Sitze pro Person oder erste Klasse zu buchen ist schlicht zu teuer. Außerdem kann und möchte ich keinem Nachbarn zumuten, neben mir zu sitzen. Das ist sehr rücksichtsvoll.
Im Kino wird man sich auch nicht freuen, wenn Sie beiden direkt vor einem sitzen…
Wir gehen nur ins Kino oder ins Theater, wenn wir Plätze ganz am Rand oder ganz hinten bekommen. Man lernt mit den Jahren mit vielem umzugehen. Ich kann das gut verstehen. Jeder möchte doch etwas sehen. Außerdem möchte ich mich wohlfühlen und nicht ständig das Gefühl haben, dass ich jemanden störe. Ein bisschen Achtsamkeit in jede Richtung sollte selbstverständlich sein.
Laut Statistik werden die Menschen immer größer, 1,80 Meter ist bei Frauen fast nichts Besonderes mehr. Macht sich die Entwicklung auch bei Ihnen im Alltag bemerkbar, sind manche Dinge leichter als früher?
Man wird als langer Mensch vielleicht nicht mehr so als außergewöhnlich wahrgenommen, und natürlich kann man übers Internet leichter Kleidung bestellen. Früher haben wir das über den Verein gemacht, oder meine Frau hat ganz viel selbst genäht. Das ist jetzt besser. Aber kürzlich habe ich neue Schuhe gebraucht. Die muss man einfach probieren. Wir sind bis nach Bopfingen in ein Spezialgeschäft gefahren. Da gab es genau ein Paar in Größe 54, das mir gepasst hat. Auswahl gab und gibt es leider für uns Lange nicht. Und Maßanfertigungen kann sich auch nicht jeder leisten.
Wie ist der Alltag für Sie im Job?
Ich arbeite bei der Stadt München. Erst als Elektriker, inzwischen als Schwerbehindertenvertreter im Baureferat. Da sind die Themen fast jeden Tag auf meinem Tisch. Und manches kann man nicht ändern, sondern man muss sich daran gewöhnen.
Zum Beispiel?
Dass ich bei jeder Tür den Kopf einziehen muss und immer ein Kissen dabei habe, falls die Stühle oder Bänke zu niedrig sind. Viel nerviger ist es allerdings, wenn einer sagt: Pass auf und schlag dir den Kopf nicht an. Das erschreckt einen eher und bringt einen aus der Routine.
Wie sieht die Zukunft des Vereins der Langen aus?
Zu Hochzeiten hatten wir 3000 Mitglieder und jede Menge toller Veranstaltungen. Aber die Zeiten ändern sich einfach. Ich kann mir leider nicht vorstellen, dass wir noch das 100-Jährige des Klubs feiern. Doch einen positiven Ausblick haben wir Langen trotzdem immer. Auch wenn wir in der letzten Reihe stehen, wir sehen immer mehr. Es ist ein echter Vorteil, immer den totalen Überblick zu haben.
Interview: Dorit Caspary