Tauziehen um ein Kraftwerk

von Redaktion

Am Walchensee laufen Wasserrechte aus – aber was heißt das?

VON DIRK WALTER

München/Kochel – Die Chancen auf eine Verstaatlichung des Walchenseekraftwerks im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen sind gegen null gesunken. Der Umweltausschuss des Bayerischen Landtags lehnte mit den Stimmen der Regierungsfraktionen sowie FDP und AfD einen Vorstoß der Grünen ab, den sogenannten Heimfall zu erklären. Nur die SPD stimmte mit den Grünen. Das bedeutet: Der Kraftwerks-Betreiber Uniper darf damit rechnen, das Walchenseekraftwerk auch über das Jahr 2030 hinaus betreiben zu können – vorausgesetzt, der Konzern kümmert sich rechtzeitig um eine neue wasserrechtliche Genehmigung.

Das Walchenseekraftwerk, 1924 von Oskar von Miller erbaut und mit seinen markanten Rohrleitungen majestätisch unterhalb des Jochbergs thronend, weckt seit 2020 Begehrlichkeiten. Damals kündigte das Landratsamt fristgerecht an, dass die Wasserrechte zum 30. September 2030 für sämtliche Kraftwerke des sogenannten Walchenseesystems auslaufen.

Hinzu kommt: Uniper stand durch die Gaspreiskrise im Jahr 2022 praktisch vor der Pleite. Der Bund hat Milliardenhilfen gewährt, durch die Übernahme von Aktien bedeutet das – eine noch fehlende EU-Genehmigung vorausgesetzt – faktisch eine Verstaatlichung.

Auch Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) hat im Oktober vergangenen Jahres angekündigt, die 97 Wasserkraftwerke Unipers in Bayern langfristig vom Bund übernehmen zu wollen. Dann würde Bayern wieder die Wasserkraft betreiben – nach der Privatisierung der Bayernwerk AG im Jahr 1994 wäre das sozusagen eine Rolle rückwärts. Auf die Ankündigung Glaubers folgten bisher aber keine weiteren Schritte.

Ob nun aber durch das Auslaufen der Wasserrechte die Anlage automatisch an den Freistaat zurückfällt (oder er sie extra für Millionenbeträge erwerben müsste), ist umstritten. Der örtliche Grünen-Abgeordnete Hans Urban sagt Ja, das Umweltministerium indes Nein. „Es existiert für das Walchenseekraftwerk kein Heimfallrecht“, erklärte der Vertreter des Ministeriums gestern in der Ausschusssitzung. Lediglich bei drei kleineren Kraftwerken des Systems – Obernach, Niedernach und Kesselbachkraftwerk – sei das der Fall.

Für Urban ist diese Aussage „rätselhaft“. Der Abgeordnete hat tief im Archiv gegraben. Unter anderem gibt es eine Einschätzung der damaligen Walchenseekraftwerk Aktiengesellschaft vom 20. Januar 1933. Im damaligen wasserpolizeilichen Verfahren schrieb das Unternehmen an das bayerische Innenministerium, dass es nach Ablauf „der bewilligten Erlaubniszeit verpflichtet“ sei, „die wasserbautechnischen Anlagen samt Zubehör und dem Grund und Boden und allen Rechten unentgeltlich auf unsere Kosten auf den Staat zu übertragen“. Ein ähnliches Dokument gibt es aus dem Jahr 1962.

Er frage sich, so Urban zu unserer Zeitung, warum solche Verträge nach Ansicht des Ministeriums nicht zählen. „Oder lesen die das gar nicht?“ Der Abgeordnete will die Sache nicht auf sich beruhen lassen. „Wir werden einen Verwaltungsjuristen beauftragen, das zu überprüfen.“ Das Kraftwerk müsse dem Staat und so der Allgemeinheit übertragen werden.

Ein Abgeordneter gräbt im Archiv

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