Fischbachau/München – Sophia Mairhofer sitzt an ihrem Schreibtisch im Büro und durchforstet Job-Portale im Internet. Eigentlich hätte die 28-Jährige genug anderes zu tun. Sie leitet mit ihrer Mutter das Café Winklstüberl in Fischbachau im Kreis Miesbach. Gerade im Sommer ist in der Konditorei viel los, jede Hand wird gebraucht. Aber Hände fehlen – schon seit Monaten. Deshalb bleibt Sophia Mairhofer nichts anderes übrig, als regelmäßig Stellenanzeigen aufzugeben. „Aktuell sind fünf bis sechs Arbeitsplätze in der Küche und im Service unbesetzt“, sagt sie. Es gehen nur wenig Bewerbungen ein. Und viele erscheinen dann nicht mal zum Vorstellungsgespräch, erzählt sie. Ohne die Hilfe ausländischer Kräfte könnten sie den Betrieb schon lange nicht mehr am Laufen halten.
Einer von ihnen ist Ali Arslan. Der Pakistaner arbeitet seit fünf Jahren in der Konditorei. Er spricht fließend Deutsch, hat eine Wohnung gefunden und den deutschen Führerschein gemacht – er ist gut integriert. Doch bis vor Kurzem musste er ständig damit rechnen, abgeschoben zu werden. Und seine Chefin musste ständig fürchten, einen wichtigen Mitarbeiter zu verlieren. „Wir haben fast ein Jahr lang gebangt“, erzählt Mairhofer. Wäre Anfang des Jahres nicht das Chancenaufenthaltsgesetz in Kraft getreten, wäre Ali Arslan heute vielleicht nicht mehr in Bayern. Das Landratsamt hatte ihn bereits aufgefordert, sich beim pakistanischen Konsulat einen Reisepass ausstellen zu lassen. Um die Abschiebung zu verhindern, hatte ihm Mairhofer einen Fachanwalt vermittelt. Nur dank seiner Hilfe hat der Pakistaner die ersehnte Aufenthaltsduldung bekommen und kann nun über das Chancenaufenthaltsgesetz versuchen, einen dauerhaften Bleibestatus zu bekommen.
Trotz aller Hürden kann Bayern bundesweit allerdings die besten Zahlen vorlegen. Im Freistaat sind 26 300 Ukrainer sozialversicherungspflichtig beschäftigt (Stand April) – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Außerdem ist die Arbeitslosenquote von Ausländern mit 7,8 Prozent so niedrig wir nirgendwo sonst in Deutschland. Auch bei ausländischen Frauen liegt sie mit 9,4 Prozent deutlich unter dem Bundesschnitt (17,6 Prozent). Diese Zahlen präsentierte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gestern in München nicht ohne Stolz. „Der Anteil der ausländischen sozialversichrungspflichtig Beschäftigten hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt – auf mehr als eine Million.
Um Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, hat Bayern die Zentrale Stelle für die Einwanderung von Fachkräften geschaffen. Und speziell für die dringend benötigten Pflegefachkräfte eine sogenannte Fast Lane. Der Freistaat fördert ergänzend zu den Arbeitsagenturen und Jobcentern 83 Jobbegleiter und Ausbildungsakquisiteure für Flüchtlinge. „Darauf können wir uns aber nicht ausruhen“, betont Herrmann. Denn in fast allen Branchen fehlen Arbeits- und Fachkräfte, wie Ralf Holtzwart von der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit erklärt. Mehr als 150 000 Stellen in Bayern sind gerade unbesetzt.
Große Hoffnungen setzen Herrmann und Arbeitsministerin Ulrike Scharf (CSU) deshalb auch in die nach Bayern geflüchteten Ukrainer. 26 300 sind bereits sozialversicherungspflichtig beschäftigt. „So viele wie in keinem anderen Bundesland“, sagt Herrmann. Das Bildungsniveau sei hoch, 72 Prozent der Ukrainer in Bayern verfügen über einen Hochschulabschluss.
„Integration gelingt bei uns in Bayern, weil wir uns darum kümmern, dass Menschen in Arbeit kommen und bleiben“, betonte Herrmann gestern. Ali Arslans Chefin Sophia Mairhofer hat das in den vergangenen Jahren anders erlebt. „Es wird Arbeitgebern so schwer gemacht, Asylbewerbern eine Chance zu geben“, betont sie. Hätte sie nicht mit juristischer Hilfe für Ali Arslan gekämpft, hätte sie ihn wohl verloren.
Seit er in ihrem Betrieb arbeitet, ist seine Arbeitserlaubnis immer nur befristet gewesen. Eine langfristige Perspektive hat er erst durch das Chancenaufenthaltsrecht bekommen, das die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Trotzdem hat Mairhofer es nie bereut, dass sie Ali oder anderen Asylbewerbern eine Chance gegeben hat. „Wir brauchen sie schließlich dringend.“
Fünf bis sechs Stellen im Café sind fast immer offen
Sie hat nie bereut, Flüchtlingen eine Chance zu geben