München – Als Unbekannte im Dezember den Geldautomaten der Raiffeisenbank im kleinen Dietmannsried im Allgäu sprengen, fliegt auch die Automatentür durch die Luft. Das Trumm landet auf der Straße, die Bankfiliale ist zerstört, die Täter flüchten mit der Beute über die nahe A7.
Es ist immer das gleiche Muster, wenn die Automatenbomber aus den Niederlanden zuschlagen. Junge Männer in PS-starken Autos, maximal skrupellos. Selten gelingt es der Polizei, schnell genug am Tatort zu sein, um sie zu verfolgen. Als es doch einmal gelang, rammten die Täter zwei Polizeiautos. Ein andermal wendeten sie auf der Autobahn, rasten in falscher Richtung davon.
Die Bande ist am Montag Schwerpunktthema beim Bayerischen Bankengespräch in München. Guido Limmer, Vizepräsident des Landeskriminalamts, zeigt den Vertretern von Polizei und Banken ein Foto von der bis 100 Kilo schweren Tür, die zum Glück niemanden erschlagen hat. Kurz zuvor hat Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gesagt: „Wir haben große Sorge, dass irgendwann doch auch Menschen in großem Stil zu Schaden kommen – womöglich gar zu Tode.“ In Dietmannsried war niemand unterwegs, weil die Tatzeit mitten in der Nacht lag. Die Automatensprenger schlagen zwar meistens nachts zu – aber was ist mit Nachtschwärmern? Was mit Menschen, die über oder neben einer Bank wohnen? Und so ist klar: Die Automatensprenger müssen gestoppt werden.
Die Zahlen sind beunruhigend: 2021 zählte die Polizei 17 Automatensprengungen in Bayern (bundesweit 392), 2022 waren es 37 (496), heuer neun. Die Zahl für 2023 ist wohl nur so niedrig, weil die Ermittler im Januar zwölf Täter erwischten, die für 90 Sprengungen verantwortlich sind. Nach dem Zugriff war erst einmal Ruhe. Nach drei Monaten ging es wieder los. LKA-Vizepräsident Limmer sagt: „Das Phänomen ist nicht zu Ende.“ Er sagt auch, die Automatenbomber können nur durch technische Prävention gestoppt werden. Die Banken müssten jetzt alles tun, um die Automaten zu sichern. „Der Ball liegt in ihrem Spielfeld“ – eine deutliche Handlungsaufforderung. Limmers Top-Empfehlungen: Einfärbe- oder Klebesysteme, bei denen die Geldscheine unbrauchbar gemacht werden; Nachtverschluss der Foyers; Abbau von Geldautomaten in begrenztem Maß. Doch es gibt einige Probleme.
Die Geldhäuser ziehen mit der Polizei an einem Strang, das beteuert die Geschäftsführerin des Bayerischen Bankenverbands, Sabine Heimbach. Doch sie hält eine Aufrüstung aller Automaten für überzogen: „Es ist ein Unterschied, ob ein Automat im Flughafengebäude steht oder an der Autobahn.“ Derzeit laufen in ganz Bayern Beratungsgespräche mit der Polizei, die Automaten mit hohem Risiko identifiziert – das sind etwa 10 bis 15 Prozent. Bis Jahresende seien die meisten dieser Geräte mit Einfärbe- oder Verklebetechnik ausgerüstet. Das Problem: Die Lieferzeit für die Technik liegt aktuell bei mindestens sechs Monaten. Und ein Teilnehmer der Gesprächsrunde sagt: „Den Banken geht es nur ums Geld. Da wird genau geschaut, ob sich die Investition lohnt.“ Die Einfärbetechnik kostet pro Automat 8000 Euro. Allein die Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Bayern betreiben mehr als 6800 und damit drei Viertel aller Automaten im Freistaat.
Dass der Kampf gegen die Banden nicht aussichtslos ist, zeigt ausgerechnet das Beispiel Niederlande, die Heimat der Sprenger. Dort hat man viele Geldautomaten abgebaut, weil die Niederländer eh ganz gerne mit Karte zahlen und nicht so viel Bargeld zirkuliert wie in Deutschland. Ein großer Anteil der verbliebenen Automaten ist mit Kleber und Farbe ausgerüstet. Die Überfälle wurden weniger. Und das wird Deutschland mit seinen 55 000 Geldautomaten, die schlechter gesichert sind, zum Verhängnis: Die Kriminellen fahren über die Grenze, weil sich die Tat dort eher lohnt. 2022 erbeuteten sie allein in Bayern 3,1 Millionen Euro. Der Sachschaden ist um vieles höher.
Der klassische Banküberfall ist laut Innenminister Herrmann übrigens fast Geschichte: In Bayern gab es davon im Jahr 2022 nur vier.