„Viele Senioren fühlen sich abgehängt“

von Redaktion

Pflege, Barrierefreiheit und Armut: VdK-Mitglieder richten Fragen an fünf Spitzenpolitiker

Nürnberg – „Wir müssen reden“, sagt Verena Bentele. Den Satz richtet die VdK-Präsidentin nicht an die rund 2300 Mitglieder, die am Freitag in die Nürnberger Meistersingerhalle gekommen sind – sondern an die Spitzenpolitiker der bayerischen Parteien. Denn auch die hat Bayerns größter Sozialverband nach Nürnberg geladen, um sie mit den Sorgen seiner Mitglieder zu konfrontieren.

„Die Rente von mir und meiner Frau geht komplett für die Finanzierung ihres Heimplatzes drauf“, schreibt ein Mann. „Warum machen alle Parteien um das Thema Pflege im Wahlkampf einen Bogen? Weil viele Pflegebedürftige nicht mehr wählen können?“, fragt er weiter. Moderatorin Caro Matzko gibt die Frage weiter. Pflege müsse bezahlbar und besser strukturiert sein, antwortet der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger (FW). Mehr Personal könne rekrutiert werden, wenn sich Menschen im Rentenalter freiwillig für Pflegeaufgaben melden könnten, um steuerfrei etwas dazuzuverdienen, schlägt er vor. „Wer weiß, was Pflege bedeutet, kommt nicht auf die Idee, das Rentner machen zu lassen“, hält Martin Hagen (FDP) entgegen. Katharina Schulze (Grüne) will eine Landespflegegemeinschaft einführen, um pflegende Angehörige zu entlasten und zu beraten. „Außerdem müssen ausländische Qualifikationen schneller anerkannt werden“, fordert sie. Das passiere mit der neuen „Fast Lane“ bereits, hält ihr Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) vor, die bei der Podiumsdiskussion Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vertritt. Er hatte abgesagt.

Nicht nur die Pflegesituation bereitet den VdK-Mitgliedern Sorgen, sie sprechen in ihren Zuschriften auch viele andere Themen an. Zum Beispiel die höheren Beiträge in der Pflegeversicherung für Kinderlose. Oder das Thema Barrierefreiheit. Auch wenn die Staatsregierung Horst Seehofers Versprechen, dass Bayern bis 2023 barrierefrei ist, noch nicht einlösen konnte, sei viel passiert, betont Scharf. „Das Thema ist im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen.“ Die Staatsregierung investierte seit 2018 9,35 Millionen in die Barrierefreiheit. „Bauherren müssen keine harten Strafen fürchten, wenn sie das Thema ausklammern“, hält ihr Bentele entgegen. Bislang seien auch nur 68 Prozent der öffentlichen Gebäude barrierefrei zugänglich. Katharina Schulze fordert eine leichtere Sprache. „Es ist der Job der Staatsregierung, das für die öffentliche Hand umzusetzen, um allen eine Teilhabe zu ermöglichen.“

Auch mit der Zuschrift eines Rentners konfrontiert die Moderatorin die Politiker. Viele Anträge, zum Beispiel für den Heizkostenzuschuss, könnten in Bayern nur online gestellt werden. Senioren, die keine Helfer hätten, würden abgehängt. Florian von Brunn (SPD) bringt ein Gegenbeispiel. In München habe seine Partei Alten- und Servicezentren eingerichtet. „Dort wird Senioren auch beim Antragstellen geholfen“, betont er. „Es muss viel mehr solcher Angebote geben.“

Bentele dankt nach zwei Stunden Schlagabtausch für die teils konkreten, teils unkonkreten Antworten. „Wir werden Sie weiterhin fordern und Fragen stellen“, kündigt sie an. „Zum Beispiel dazu, ob es in Bayern irgendwann ein Sozialticket für 29 Euro oder einen Sozialpass geben wird.“

KATRIN WOITSCH

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