Studie: Der Erziehermangel endet 2028

von Redaktion

Staatsregierung lässt 1400 Familien befragen – Erzieher und Grüne kritisieren neue Zahlen

München – Es fehlt an Personal und Räumen. Jedes Jahr ringen tausende Eltern um einen Kita-Platz oder Ganztagsbetreuung für ihre Grundschulkinder. Gerade Berufstätige sind darauf angewiesen – in Zeiten des Fachkräftemangels also auch die Wirtschaft. Die Staatsregierung hat eine neue Studie in Auftrag gegeben und mit den Ergebnissen jetzt eine erstaunlich positive Prognose gewagt – dafür hagelt es aber Kritik von Opposition und Praktikern.

Scharf: „Wir schaffen bis 2028 genug Plätze“

Bayern muss weiter massiv in den Ausbau von Betreuungs-plätzen und die Ausbildung von Fachkräften investieren: Bis 2028 fehlen 130 000 neue Betreuungsplätze für Grundschulkinder und 50 000 in Krippen und Kitas, teilte gestern Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) mit. Um den Bedarf zu decken, brauche es 18 400 Fachkräfte zusätzlich. Die Zahlen gehen aus der neuen Studie des Staatsinstituts für Frühpädagogik (ifp) hervor. Die Staatsregierung hat sie in Auftrag gegeben, befragt wurden 1400 Familien.

Zum Vergleich: Im Oktober 2022 hatte eine Studie der Bertelsmann Stiftung dem Freistaat eine deutlich schlechtere Prognose erstellt. Laut der sollten – im laufenden Jahr – fast 62 000 Kita-Plätze und damit 14 500 zusätzliche Erzieher fehlen.

Laut ifp-Studie ist die Anzahl von Fachakademien für Sozialpädagogik von 49 im Jahr 2011 auf 73 gestiegen. Seit 2016 sind in Bayern jährlich zwischen 4000 und 5000 neue Fachkräfte ausgebildet und eingestellt worden.

„Setzt sich der Fachkräftezuwachs so fort, können wir zum Schul- und Kitajahr 2027/28 den Fachkräftebedarf decken und ausreichend Betreuungsplätze schaffen – selbst bei ungünstigen Rahmenbedingungen, wie etwa einem verstärkten Zuzug von Familien“, erklärte Scharf.

Scharfe Kritik von der Grünen-Fraktion

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, hat die neue Studie und den Vortrag der Familienministerin scharf kritisiert: „Der Fachkräfte-Mangel ist akut und lange bekannt. Es ist ein Schlag ins Gesicht für Kita-Beschäftigte und Familien in Bayern, wenn sich die Sozialministerin hinstellt und sagt: Bis 2028 haben wir es im Griff. Bayern braucht sofort Lösungen für die Kita-Krise – nicht nur die Aussicht auf bessere Zeiten!“ Für eingeschränkte Öffnungszeiten von Kitas, geschlossene Gruppen oder Einrichtungen, überlastetes Personal und tausende Eltern, die in diesem September ohne Betreuungsplatz dastehen, machte Schulze die Staatsregierung verantwortlich. Die Grünen fordern, die Arbeitsbedingungen in Kitas sofort zu verbessern – durch eine bessere Betriebskostenförderung sowie eine Ausbildungsvergütung für Kinderpfleger. „Die Kita-Mittel aus dem Bund – über 500 Millionen Euro jährlich – müssen vollständig in die Qualität, statt in Beitragsentlastungen fließen.“

Erzieherin verurteilt Personal-Prognose

Auch Andrea Steiner, Erzieherin und Zweite Leiterin im Pfarrkindergarten in Vagen im Kreis Rosenheim, sieht die Studienergebnisse skeptisch. „Im Nachbarort Bruckmühl kann im Herbst eine ganze Gruppe wegen Personalmangel doch nicht angeboten werden“, sagt die 54-jährige Erzieherin. „Wenn eine Kollegin schwanger wird, ist es momentan für jeden Träger schwer, so schnell Ersatz zu finden.“

Dass sich die Personallage in den nächsten fünf Jahren wie von der Familienministerin angekündigt entspannt, glaubt Andrea Steiner nicht. „Hier in der Region wird viel gebaut, aber der Zuzug und damit die Nachfrage nach Kitaplätzen bleibt gleich stark“, sagt sie. „Stimmt, es gibt viele junge Erzieher. Aber meiner Erfahrung nach bleiben sie nicht bis zur Rente im Beruf – oder arbeiten bald nur noch in Teilzeit weiter. Gleichzeitig gehen aber all die, die den Beruf ihr ganzes Leben gemacht haben, jetzt schön langsam in Rente.“

Neue Studie missachtet regionale Unterschiede

Katharina Schulze wirft der Staatsregierung zudem vor, die neue Studie lasse nicht nur die Qualität der Betreuung, sondern auch den unterschiedlichen regionalen Bedarf an Betreuungsplätzen für Kita- und Grundschulkinder weitestgehend außer Acht. „Gerade in den Städten muss der oft höhere Bedarf gedeckt sein“, sagt Schulze. „Die Staatsministerin unterschlägt, wie die Söder-Regierung damit umgehen will, wenn die Betreuungs-Bedarfe nicht stagnieren – sondern steigen und die Fachkräfte aus der Babyboomer-Generation wegfallen.“

CORNELIA SCHRAMM

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