Giovanni Stincone (38) weiß, was er tut, wenn er in seiner Pizzeria „La Pergola“ in Garching steht. Im Frühjahr hat der Sizilianer die Auszeichnung „Bester Pizzabäcker Europas“ bekommen. Viele Zutaten braucht er nicht, dafür jede Menge Amore. Die Pizzen kosten bei ihm zwischen 11,90 und 17,90 Euro. Er verrät, warum er Pizza immer mit der Schere schneidet. Und wieso er sie niemals mit Ananas belegen würde.
Sie sind Europas bester Pizzabäcker. Wussten Sie das schon vor der Auszeichnung?
Früher war ich mir unsicher, ob ich wirklich gute Pizzen backe. Seit ich Europameister bin, habe ich mehr Selbstbewusstsein. Der Titel ist für mich eine große Ehre. Die vielen Stunden im Pizzalabor haben sich gelohnt. Gleichzeitig steigen die Ansprüche. Ich will für jeden Gast die perfekte Pizza backen – und noch besser werden. Mein Ziel ist es, Pizza-Akrobat zu werden. Und natürlich den Weltmeister-Titel zu holen (lacht).
Warum kommen Ihre Pizzen so gut an?
Ich bereite jede einzelne Pizza mit ganz viel Liebe zu – und mit den besten Zutaten.
Was macht den perfekten Pizzateig aus?
Der perfekte Pizzateig braucht Mehl, Hefe, Wasser und Salz. Diese vier Zutaten – und eben Amore. Viel Liebe. Etwas anderes steckt nicht drin. Andere mischen Bier oder Milch dazu. Bei mir gibt‘s das nicht.
Experimentieren Sie auch manchmal?
Ich habe erst letzte Woche mit neun Mehlsorten experimentiert. Jetzt habe ich das für mich beste Mehl gefunden. Es kommt aus Italien und setzt sich aus verschiedenen Mehlsorten zusammen. Die genaue Zusammensetzung ist ein Geheimnis. Es ist etwa zu vergleichen mit der Weizenmehltype 1050.
Wie lange muss der perfekte Teig gehen?
Der Teig muss mindestens 24 Stunden ruhen. Im Kühlschrank bei um die sechs Grad. Nach der Ruhezeit forme ich den Teig zu Kugeln. Zu je etwa 280 Gramm und eine Handvoll groß. Danach müssen die Kugeln noch mal 24 Stunden gehen, bis sie sich verdoppeln. Vier Stunden vor dem Pizzabacken nehme ich den Teig aus dem Kühlschrank.
Ist es im Sommer schwieriger, einen guten Teig zu machen?
Ja, es ist einfach zu heiß. Mein Bruder hat eine Pizzeria in Sizilien. Bei 48 Grad den gleichen Teig hinzubekommen, ist noch komplizierter. Wir bereiten den Teig mit Eiswürfeln zu. Bei einer Mengenangabe von 500 Gramm Wasser, nimmt man 350 Gramm Wasser mit einer Temperatur um die ein Grad und 150 Gramm Eiswürfel.
Auch beim Kneten muss man vermutlich etwas beachten…
In unserer Pizzeria übernimmt das grobe Kneten die Maschine. Zu Hause für die Familie knete ich den Teig wie bei einer Massage. Immer wieder von oben nach unten. Viel wichtiger ist aber das richtige Formen der Pizzakugeln. Am Ende muss eine schöne kompakte Kugel entstehen. Von oben nach unten kneten. Es darf keine Luft mehr im Teig stecken. Die Teigkugel muss glatt sein und unten gut geschlossen, damit keine Luft mehr reinkommen kann. Wenn man nervös ist, merkt das der Teig. Dann will er erst recht nicht mehr. Man muss ihn wie eine Frau behandeln. Umschmeichelnde Worte und eine Massage.
Welchen Typ Pizza backen Sie?
Pizza Napoletana Contemporanea. Das ist unsere Tradition. Bei uns ist der Rand zwei bis vier Zentimeter breit und vier Zentimeter hoch. Ganz wichtig: Er muss leicht und luftig sein. Die Pizza ist in der Mitte einen halben Zentimeter dünn. Es gibt viele Typen. Pizza Romana mit wenig Rand oder Ruota di carro, eine große Pizza ohne Rand.
Was inspiriert Sie zu neuen Belagkombinationen?
Ich bin gerne kreativ. Während meiner Zeit als Chefkoch habe ich viel ausprobiert. Von dieser Erfahrung profitieren meine Pizzakreationen. Meine Rezepte übertrage ich jetzt auf die Pizza. Warum sollten Spanferkel und Steinpilze nicht auf einer Pizza schmecken? Ich habe es ausprobiert und war begeistert. Bei einer Pizza kannst du alles machen. Nur Ananas nicht (lacht). Demnächst möchte ich Pizza Carbonara ausprobieren. Ohne Spaghetti. Nur mit Schinken, Ei und Pecorino.
Wie lässt sich die perfekte Pizza perfekt genießen?
Am besten schmeckt sie in Stücke geschnitten von der Hand zum Mund. In Italien isst niemand mit Messer und Gabel. Wir vierteln die Pizza mit der Schere, weil sonst der luftige Rand zerdrückt wird. Dazu passt immer ein Bier. Oder an heißen Tagen ein kalter Weißwein. Für die Jungen gibt es eine Cola.
Kann jeder lernen, gute Pizzen zu machen?
Bei mir schon (lacht). Das Rezept allein macht niemanden zum perfekten Pizzabäcker. Viele denken, dass es so einfach wäre. Das stimmt nicht. Alles muss passen: die Temperatur, die Mehlsorte, die Knettechnik. Man muss viel üben. Wenn jemand wirklich lernen will, empfehle ich einen Kurs. Selbst ich habe Kurse gemacht und von den Lehrern immer wieder etwas Neues gelernt. Pizzabacken ist eine Wissenschaft. Mathematik spielt eine Rolle. Es fängt beim Getreide an. Wenn ich Mehl einkaufe, frage ich nach dem Zuckergehalt und wie viel Prozent Protein drinsteckt. Unser Pizzateig hat mehr Protein. Er ist nicht so schwer. Wir haben Gäste, die zwei Pizzen verdrücken können.
Sie machen jeden Tag Pizza – können Sie privat Pizzen überhaupt noch genießen?
Natürlich! Ich würde am liebsten jeden Tag Pizza essen. Morgens, mittags und abends (lacht). Aber das kann ich mir figurlich nicht leisten. Trotzdem glaube ich, dass ein tägliches Stück Pizza den Körper gesund hält. Schließlich ist Pizza auch etwas für die Seele. Ich werde mich von Pizza jedenfalls niemals satt essen können.
Bleibt nur noch eine Frage: Was ist Ihre Lieblings- pizza?
Ganz klar: Pizza Diavola. Auf Deutsch übersetzt heißt das Teufelspizza. Zur Diavola gehört gute scharfe italienische Peperoni-Salami. Diese Pizza ist einfach und klassisch.
Interview: Carina Ottilinger