KOLUMNE

VON SUSANNE BREIT-KESSLER Szenen vom Bauernmarkt

von Redaktion

Ich komme vom Land. Das merke ich immer dann, wenn ich dem begegne, was mich als Kind und Jugendliche im Oberbayerischen nachhaltig geprägt hat. Dazu gehören natürlich Gerüche, Düfte und Geschmack. Vor allem aber die Sprache, der Dialekt, den man in der Großstadt kaum mehr zu hören bekommt – vor lauter auswärtigen Idiomen mit „Tschüssiiii!“, Huchs, Hachs, „Shoppppiiing“ und „Hallöchen“. Ich vermisse so oft die heimisch-herzhafte Ausdrucksweise, die ohne viel Geschwafel auf den Punkt kommt.

Richtig zu Hause bin ich, wenn ich auf den Bauernmarkt gehe. An fünf Tagen in der Woche, ich habe schon einmal berichtet, kann man in München auf elf verschiedenen Plätzen von der St.-Benno-Kirche über den St.-Anna-Platz bis hin zur Pinakothek der Moderne einkaufen gehen. Einfach so oder vorbestellen und an den Standln abholen. Die Erzeuger sind natürlich auch technisch auf der Höhe der Zeit, nicht nur, was heimische Produkte und feine regionale Delikatessen anbelangt. Vorheriger Anruf oder Mail genügt. Auf dem Markt treffen sich alle. Und es ist wahrlich eine Lust zu erleben, wie verschiedene Welten aufeinanderprallen.

Der niederbayerische Landwirt, bei dem ich mein Gemüse kaufe, ist ein freundlicher Mann. Er redet nicht viel. Was er sagt, ist unmissverständlich – und frei von jeder Form der Anbiederung. Eine Dame fragte kürzlich nach einem Kassenbon. Der Bauer, nennen wir ihn Ludwig, sagte nur: „Hob i ned.“ Die Kundin insistierte. „Aber Sie müssen doch einen Beleg für mich haben!“ Ludwig antwortete: „Solang i mei Wog hom derf, gibt’s koan Zettl.“ Er besitzt eine alte, geeichte Waage, die mich an die erinnert, auf der ich als Baby gewogen wurde. Er legt einheimische Paprika, Feldtomaten und -gurken darauf, wiegt Kartoffeln, Zwiebeln und Sellerie sorgsam ab. Radieschen und Rettich, Wirsing und Blumenkohl gibt es bund- oder stückweise. Die jeweiligen Preise notiert er wortlos auf einen uralten Notizblock, so einen, wie ihn die Bedienungen früher im Wirtshaus nutzten. Am Ende nennt er den Gesamtpreis. Der ist immer niedrig. Nirgendwo kauft man so günstig. Die Dame setzt nach. „So, so. Eine Waage. Aber Sie müssten doch…“ Weiter kommt sie nicht. Ludwig wird energisch. „Solang i mei Wog hom derf, gibt’s koan Bong ned.“ Die Kundin ist entnervt: „So ist das also. Äh, tschüss dann.“ Sie geht ab. „Ja!“, grummelt Ludwig ihr hinterher. „Etza woas das.“ Wir anderen am Stand sagen nichts. Aber alle lächeln. Ludwig schreibt weiter sorgfältig seine Zettel. Wir wissen das. Nicht erst jetzt.

Artikel 1 von 11