München/Heidelberg – Seit einigen Jahren sinken die Neuerkrankungen an Krebs in Deutschland. In wirtschaftlich schwachen Regionen allerdings nicht so schnell wie in wohlhabenden, wie eine Datenanalyse des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg ergeben hat. Im bundesweiten Vergleich steht Bayern relativ gut da. „Das liegt daran, dass es in Bayern weniger benachteiligte Regionen gibt als in anderen Bundesländern“, erklärt Lina Jansen, die die Zahlen mit einem Team ausgewertet hat. Eine detailliertere Analyse innerhalb einzelner Bundesländer hält Jansen allerdings für schwierig. „Je kleiner das Gebiet, desto höher Zufallsschwankungen bei den Zahlen“, erklärt sie.
Sie und ihr Team haben Daten aus acht Bundesländern für den Zeitraum von 2007 bis 2018 untersucht. In Hessen, Baden-Württemberg, Berlin und den ostdeutschen Bundesländern war die Datenlage für eine Analyse zu schlecht. Die Zahlen betreffen insgesamt rund 49 Millionen Deutsche, also etwa 60 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Forscher haben die Krebsdiagnosen auf Kreis- und Bezirksebene mit dem jeweiligen sozioökologischen Index abgeglichen. Den haben sie (abhängig von Einkommen, Beschäftigungsquote, Ausbildung, Umwelt und Sicherheit) in fünf Gruppen unterteilt. In den Landkreisen, die sozial besser gestellt sind (in der Grafik blau) war die Krebserkrankungsrate am geringsten, in den schwächsten Regionen (rot in der Grafik) ist das Erkrankungsrisiko am größten.
Von 2007 bis 2018 sank die Neuerkrankungsrate für fast alle Krebsarten überall. Am schwächsten war der Rückgang bei Männern in den am stärksten benachteiligten Regionen, berichtet Jansen. Und diese Ungleichheit nahm im Lauf des Beobachtungszeitraums zu: Hatten Männer in den sozioökonomisch schwächsten Regionen im Jahr 2007 eine um 7 Prozent höhere Krebs-Neuerkrankungsrate als in den am wenigsten benachteiligten Gebieten, stieg dieser Unterschied auf 23 Prozent im Jahr 2018. Bei den Frauen stieg er etwas weniger stark – von ebenfalls 7 auf 20 Prozent. Besonders ausgeprägt war diese Diskrepanz bei Lungenkrebs: Der trat demnach 2018 in den sozioökonomisch schwächsten Regionen im Vergleich zu den wohlhabendsten Gegenden bei Männern um 82 Prozent und bei Frauen sogar um 88 Prozent häufiger auf. Auch dafür hat Jansen eine Erklärung: „Der Anteil der rauchenden Männer hat stärker abgenommen, als der der rauchenden Frauen.“ In sozial schwächeren Regionen sei Tabak- und Alkoholkonsum meist größer. Genau wie Bewegungsmangel und starkes Übergewicht – alles Faktoren, die das Krebsrisiko erhöhen. Die Gesundheitsversorgung, also Arztdichte oder Entfernung zum nächsten medizinischen Zentrum, habe hingegen keinen großen Einfluss. Innerhalb der Städte, wo die Versorgung besser ist als auf dem Land, sei das Risiko sogar oft größer, weil es dort häufiger mehr soziale Brennpunkte gebe, erklärt Jansen.
Schlussfolgern könne man aus der Studie, dass besonders in sozialschwächeren Regionen mehr Prävention nötig sei, sagt die Forscherin. „Wir müssen besondere Anstrengungen unternehmen, damit alle Menschen gleichermaßen von Empfehlungen zu einem gesunden Lebensstil und von Krebs-Früherkennungsuntersuchungen profitieren – unabhängig von ihrer Postleitzahl.“ kwo/dpa