Tegernsee – Am Steinmetzplatz liefert die Stadt Tegernsee nicht das Heile-Welt-Bild, das den Ort so bekannt macht: kein Bräustüberl zu sehen, kein Rathaus, aus dem ein Promi frisch verheiratet in ein neues Leben spaziert. Am Steinmetzplatz sind am Dienstag stattdessen vor einem Mehrparteien-Wohnhaus Absperrbänder zu sehen, wie sie die Polizei verwendet. Uniformierte, Ermittler im Overall für Spurensucher, ein Polizeiauto. Richtig passiert ist hier aber nichts – die Produktionsfirma Bavaria Fiction dreht vor einem Antiquitätengeschäft Szenen für die Rosenheim Cops. Das war am Dienstag – und was alle Beteiligten wohl nicht wissen konnten: Hier hat sich vor exakt fünf Jahren tatsächlich ein Mord ereignet – in jenem Gebäude, vor dem Krimi gespielt wird. Eine heute 52-jährige Frau spritzte am 8. August 2018 ihren 60-jährigen Ehemann mit Insulin und Morphin zu Tode. Sie wurde wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
Ekatarina S., die aus Bulgarien stammt und gelernte Krankenschwester ist, lebte mit ihrem Ehemann Hans in dem Gebäude. In der Nacht auf den 8. August aßen sie Pizza mit Meeresfrüchten, dabei war damals auch ein 93-jähriger, demenzkranker Nachbar. Später hatten die Eheleute noch Sex. Im Laufe des Abends gab Ekatarina S. ihrem Gatten, ein ehemaliger in München praktizierender Augenarzt, ein Antidepressivum. Als dieser einschlummerte, spritzte sie ihm mehrmals Insulin, obwohl dieser nicht an Diabetes litt. So wurde es im Mordprozess im Jahr 2020 bekannt.
Doch der 60-Jährige starb nicht. Also griff Ekaterina S. in den Morgenstunden des 8. August zu drei Ampullen Morphin, danach war ihr Mann tot. Das Motiv kam im Prozess ans Tageslicht: Habgier. Sie hatte von ihrem Ehemann viele Jahre finanziell profitiert. Sein Vermögen und die Wohnung hatte sie auf sich überschreiben lassen. In der Anklageschrift hieß es damals, sie habe sich dazu entschieden, dass ihr Mann ihr nun zu nichts mehr nütze sei. Durch seinen Tod wollte sie sich das verbleibende Vermögen als Erbe sichern, warf ihr der Staatsanwalt vor.
Doch bis Ekaterina S. überhaupt auf der Anklagebank landete, hatte es gedauert. Die Kripo ermittelte nach Auffinden der Leiche intensiv, erst im Februar 2019, sieben Monate später, wurde die trauernde Witwe unter Mordverdacht verhaftet. Da hatte sie ihren Ehemann schon einäschern und auf dem Tegernseer Friedhof begraben lassen. Seine Ruhe fand der Tote aber nicht, denn Ekaterina S. grub die Urne aus und klaute sie. Einen Teil der Asche füllte sie in ein Glas, den Rest in einen Kopfkissenbezug und befriedigte sich damit.
Im Dezember 2020 fiel das Urteil: lebenslang. Zu dem Mordvorwurf kam wegen des Urnen-Diebstahls auch Störung der Totenruhe. Das Gericht stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Der Vorsitzende Richter attestierte ihr ein besonders theatralisches Auftreten.
An den Polizeieinsatz von ihrer Verhaftung erinnerten sich nun Anwohner beim Rosenheim-Cops-Dreh. Ob das Set zufällig gewählt wurde? „Dieser Mordfall war uns nicht bekannt“, sagte eine ZDF-Sprecherin auf Anfrage unserer Zeitung. Gedreht werde in einem Auktionshaus im Erdgeschoss. Dass die Dreharbeiten an diesem Ort stattfinden, ist ein Zufall.“ kmm/mc