Die Hollerfeen von Bad Tölz

von Redaktion

Morgen ist Mariä Himmelfahrt: Ein Besuch bei drei Fachfrauen für Kräuter und Räucherrituale

Bad Tölz – Ich stehe im Garten des Malerhauses in Bad Tölz, der fast bis zum Isarufer reicht, und schließe die Augen, darauf konzentriert, den Boden unter den Füßen zu spüren. Burgi Heufelder fährt mit einer Schale, in der Kohle getrocknete, weiße Salbeiblätter verglimmen lässt, vor und hinter mir auf und ab. Der Rauch steigt mir in die Nase, hüllt mich ein. Plötzlich fühle ich kräftige Luftstöße, der warme Rauch intensiviert sich. Mit einer Adlerfeder fächert Burgi den Rauch in meinen Nacken.

Ich bin bei den Hollerfeen Margot Strötz, Burgi Heufelder und Christa Schuster zu Besuch und werde „abgeräuchert“, wie die drei Räucherfachfrauen ihr Willkommensritual nennen. Es soll meine Aura von verbrauchter Energie reinigen, damit wieder Platz für neue, gute Energie und Harmonie ist. „Verglimmt man die Samen, Blüten, Wurzeln und Harze achtsam auf Kohle, löst sich etwas auf im Körper. Das nennen wir die energetische oder Ritual-Räucherung“, erklärt Margot Strötz, mit 72 die älteste der drei Freundinnen. Seit mehr als 55 Jahren praktiziert die Tölzerin dieses Ritual. Zu Mariä Himmelfahrt ist das Thema Kräuter aktuell – in der Region wachsen sie um diese Zeit besonders gut (siehe Kasten). Und manche eignen sich zum Räuchern.

Schon die Kelten und auch die Ägypter sollen das Räuchern zur Heilung, Reinigung, Besinnung und geistigen Öffnung genutzt haben, die Römer ihre Fürbitten mit dem Rauch gen Himmel geschickt und sowohl die Ureinwohner Nordamerikas als auch des Orients die wohltuende Kraft des Räucherns gekannt haben. „Die Tuareg räuchern und reinigen ihre Zelte, ehe sie sie einräumen“, sagt Margot Strötz. Seit vielen Jahren empfängt sie in den Ferienwohnungen des Malerhauses unterhalb der Kalvarienbergkirche Gäste aus aller Welt, die sie nicht nur mit Wissen über das Räuchern in fremden Kulturen versorgen, sondern auch mit Räuchergut und Zubehör aus aller Herren Länder. Auch in Mitteleuropa hat das Räuchern eine lange Tradition und ist eng verknüpft mit christlichen Zeremonien sowie den Jahreskreisfesten. „In meiner Familie wurde in den Raunächten zwischen Weihnachten und Dreikönigstag immer der Bauernhof ausgeräuchert“, erinnert sich Christa Schuster. Margot Strötz war als Kind vom Weihrauch in der Kirche so fasziniert, dass sie ihn für die „Eilpost zum Himmel“ hielt.

Im Haus am Esstisch zünden die Hollerfeen ein Teelicht in einem Stövchen an, auf dessen feinem Edelstahlsieb sie ein wenig der Räuchermischung „Urvertrauen“ mit Jasmin, Olibanum Dalzielli, Veilchen, Myrrhe und Lavendel verstreuen. Ein angenehmer Geruch strömt durch den Raum. „Über die Nase erreichen sie unser limbisches System und setzen energetische Prozesse in Körper, Geist und Seele in Gang“, erklärt Margot Strötz. Das limbische System ist Teil des Stammhirns und verarbeitet und steuert Emotionen, Antrieb, Motivation. Rein gar nichts habe das Räuchern mit Esoterik zu tun. „Wie die Musik verbindet das Räuchern die Menschen über die Kulturen hinweg“, sagt Burgi Heufelder, die wie ihre Holler-Schwestern gläubige Katholikin ist. „Bei uns ist jede Religion willkommen, wir achten und respektieren alle Glaubensrichtungen“, betont die 49-Jährige.

Die Hollerfeen bieten auch Infoabende und Räucherrituale an. Musik, ein wohlschmeckender Tee, eine kleine Meditation runden das Räuchererlebnis, das alle Sinne ansprechen und die „Saiten der Seele zum Klingen bringen soll“ ab. So findet am 31. Oktober das Ahnenritual statt, an dem den Vorfahren gedankt und ihrer gedacht wird. SUSANNE BÖLLERT

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