Der Künstler hinter den Filmplakaten

von Redaktion

René Birkner aus der Jachenau malt sie alle – vom Oppenheimer bis zum Kommissar Eberhofer

René Birkner ist einer der letzten seiner Art. Der 67-Jährige aus der Jachenau malt die Kinoplakate, die am Filmtheater Sendlinger Tor oder in den Münchner City Kinos hängen. In jedem stecken viele Stunden Arbeit – doch ihre Lebenszeit ist eher kurz. Birkner übermalt die Leinwände wieder, wenn die Filme ausgelaufen sind. Manchmal blutet ihm dabei das Herz. Er verrät, warum seine Kunst nichts für die Ewigkeit ist.

Wann waren Sie zuletzt im Kino?

Das ist schon lange her. Mir fehlt leider die Zeit fürs Kino. Lust hätte ich natürlich. Den Film Oppenheimer hätte ich zum Beispiel gerne gesehen, dafür habe ich auch die Filmplakate gemalt.

Wie entsteht ein gemaltes Filmplakat?

Den Auftrag bekomme ich vom jeweiligen Filmverleih. Das Filmtheater am Sendlinger Tor macht sein Plakat-Layout selbst und schickt es mir zu. Für die City Kinos muss ich mir die Plakate aus dem Internet rausziehen. Die Vorlagen projiziere ich auf meine Leinwand und male sie dann ab. Wie lange das dauert, variiert von Motiv zu Motiv. Wenn ich ein Plakat mit neun Figuren habe, dauert das lange. Ich bin Zwölf- oder 16-Stunden-Tage gewöhnt.

Können Sie in die Filmplakate ihre Handschrift als Künstler einfließen lassen oder müssen Sie neutral arbeiten?

Ich kann meinen eigenen Stil einbringen. Oppenheimer zum Beispiel habe ich ein bisschen fetziger gemalt, manchmal ist mein Stil eher beruhigend. Grundsätzlich erkennt man sofort, dass meine Filmplakate nicht gedruckt, sondern von Hand gemalt sind. Vor vielen Jahren gab es in München mal eine Ausstellung von Plakatmalern. Wir alle haben sehr unterschiedliche Stile. Einer hat sehr klassizistisch gearbeitet, mit starken Linien und Umrandungen. Ein anderer hat sehr expressiv und offen gearbeitet.

Inzwischen sind Sie aber einer der letzten Ihrer Art. Immer mehr Filmplakate-Maler hören auf…

Das stimmt. Ich hatte in Berlin einen Kollegen, der nun aufgehört hat, wie ich gehört habe. Vielleicht gibt es in Deutschland noch den ein oder anderen Kollegen – viele sind es aber wohl nicht mehr. Das ist natürlich traurig. Ich habe früher auch Aufträge aus Köln oder Salzburg bekommen. Inzwischen nur noch von den beiden Münchner Kinos. Und manchmal arbeite ich in den Bavaria Filmstudios.

Werden gemalte Filmplakate irgendwann ganz verschwinden?

Ich hab keine Ahnung, wie sich das weiterentwickeln wird. Das hängt auch von der finanziellen Situation der Filmverleiher ab und wie sich die Technik verändern wird. Aktuell sieht es eher so aus, als ob es irgendwann keine gemalten Filmplakate mehr geben wird, weil die Drucktechnik das übernehmen kann. Aber oft kommt es ja auch anders als man denkt. Ich mache mir jedenfalls noch keine Gedanken übers Aufhören.

Wie kurzfristig kommen die Aufträge?

Früher war es sehr kurzfristig. Damals habe ich montags oft vier Plakate in Auftrag bekommen für die aktuelle Woche. Heute bemühen sich die Kinos, mir etwas früher Bescheid zu geben, sodass ich schon am Wochenende mit dem Malen beginnen kann.

Was ist es für Sie für ein Gefühl, an einem von Ihnen gemalten Filmplakat vorbeizulaufen? Sind Sie stolz auf Ihre Arbeiten?

Wir Plakatmaler sehen das eher nüchtern. Für uns ist das ein Job. Ich betrachte das Filmplakatemalen nicht als Kunst, sondern eher als Verdienstmöglichkeit. Als ich 1991 damit angefangen habe, war ich Referendar. Ich habe damals ein Staatsexamen zum Kunstlehrer gemacht. Gegen Ende meiner Referendarzeit fragte mich jemand, ob ich für einen Plakatmaler einspringen könnte. Danach bekam ich regelmäßig Aufträge. Finanziell bin ich nach wie vor auf diese Aufträge angewiesen. Aber natürlich macht mir das Filmplakatemalen auch viel Spaß.

Sind Sie ein unbekannter Künstler hinter den Plakaten oder bekommen Sie manchmal Feedback?

Manchmal bekomme ich Feedback. Wenn ich die fertigen Plakate aufhänge, ergibt sich oft ein Gespräch. Manchmal fragen mich Leute auch, ob sie ein Plakat haben können, wenn der Film nicht mehr läuft. Eine Sammlerin hat 16 Plakate von mir bekommen. Das zu „Fluch der Karibik“ zum Beispiel.

Was passiert mit den anderen?

Sie werden übermalt. Sie sind 2,80 auf 2,60 Meter – zu groß, um alle aufzuheben. Außerdem ist es nicht gerade meine Lieblingstätigkeit, Rahmen zu bauen und neu zu bespannen. Deshalb grundiere ich die Leinwände und benutze sie wieder.

Blutet Ihnen dabei nicht Ihr Malerherz?

Es gibt schon Plakate, die mir sehr gut gelungen sind, da tut es mir ein bisschen leid. Rückblickend hätte ich einige gerne behalten. Aber ich male seit 30 Jahren Filmplakate, das müssten Minimum 5000 gewesen sein.

Haben sich die Vorlagen der Filmplakate sehr verändert?

Ja, als ich angefangen habe, waren die Kinoplakate oft gestaltet von Grafikern wie Casaro. Der hat die Plakate damals gespritzt. In meiner Zeit ist es immer mehr in die Fotografie und die Computergestaltung übergegangen. Aber in den 80ern steckte noch viel manuelle Arbeit darin.

Sind Filmplakate für Sie Kunst?

Nein. Kein Filmplakatemaler würde das Kunst nennen. Mehr oder weniger malt man ja eine Vorlage nach. Meine Ideen kommen in meiner eigenen Kunst zur Geltung. Als Künstler male ich transparente, abstrakte Bilder.

Interview: Katrin Woitsch

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