Fuchstal meistert die Energiewende

von Redaktion

Bürgermeister Erwin Karg über Windräder, Bürokratie und den Rotmilan

Die kleine Gemeinde Fuchstal im Kreis Landsberg setzt auf erneuerbare Energien. Dank Windrädern, Photovoltaikanlagen, einer Biogasanlage und einem kleinen Wasserkraftwerk produziert die Kommune mehr Strom als sie braucht. Doch leicht wird es Gemeinden nicht gemacht, die Energiewende voranzutreiben, berichtet der parteilose Bürgermeister Erwin Karg. In wenigen Tagen gehen drei neue Windräder in seinem Gemeindewald in Betrieb. Die Planungen dafür haben fünf Jahre gedauert. Doch dank eines Pilotprojekts könnten auch andere Kommunen von den Fuchstaler Anlagen profitieren.

Sie wollen mit Ihrer Gemeinde komplett energieautark werden. Wie weit sind Sie von diesem Ziel noch entfernt?

Auf dem Papier sind wir energieautark. Wir erzeugen mehr als das Doppelte der Energie, die wir brauchen, mit Wind, Wasser, Sonne, Biogas und Hackschnitzeln. Aber das Stromnetz, in das wir einspeisen, gehört uns natürlich nicht. Deshalb kann keine Gemeinde komplett energieautark sein.

Könnte jede Gemeinde schaffen, was das Fuchstal geschafft hat?

Wir haben 2009 mit dem Ausbau des Nahwärmenetzes begonnen. Dann kamen die ersten Photovoltaikanlagen dazu, 2016 die ersten Windräder. Es müssen immer mehrere Faktoren zusammenkommen, damit die Energiewende gelingen kann. Der Bürgermeister muss es wollen, die Verwaltung auch und der Gemeinderat muss diesen Weg mitgehen. Außerdem braucht man gute Berater.

Wie viel Gegenwind kam anfangs von den Bürgern?

Wir haben anfangs massiven Gegenwind bekommen. 2014 gab es einen Bürgerentscheid, 52,7 Prozent der Fuchstaler haben dafür gestimmt, dass wir vier Windkraftanlagen betreiben dürfen, wenn sie rentabel sind und der Artenschutz eingehalten wird.

Das war eine knappe Mehrheit. Wie ist die Stimmung heute?

Heute stehen 70 bis 80 Prozent der Bürger dahinter, würde ich sagen. Auch in anderen Gemeinden tut sich was. Bei unserem Nachbarn Denklingen gab es vergangenes Jahr einen Bürgerentscheid. Die Denklinger waren als Windkraftgegner bekannt, nun haben 70 Prozent der Bürger für Windräder gestimmt.

Die Naturschützer haben Sie noch nicht überzeugt. Sie sind vor Kurzem gegen Ihre drei neuen Windräder vor Gericht gezogen – und sind mit ihrer Klage gescheitert.

Das war der Verein für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität, den es mittlerweile deutschlandweit gibt. Sie haben gegen jede zweite Windkraftanlage in Bayern geklagt. Über Windräder sind alle Informationen geflossen. Ich glaube nicht, dass man die Gegner von heute mit Gesprächen noch überzeugen kann.

Die Fuchstaler Windräder gehören zu 50 Prozent den Bürgern direkt, zu 50 Prozent der Gemeinde. Gab es schnell Anfragen für die Beteiligung?

Außer Berg am Starnberger See hat das kaum eine andere Gemeinde in Bayern so gemacht. Wir haben die Rechte zu fairen Beträgen an die Bürgerwindkraft Gemeindewald Fuchstal veräußert. Bei den ersten Anlagen waren die Bürger noch zurückhaltend. Damals gab es 115 Gesellschafter, etwa 20 davon aus Fuchstal, der Rest aus den umliegenden Gemeinden. Jetzt, bei den neuen Anlagen, wussten viele bereits, dass die Windräder ertragreich sind. Dafür haben wir jetzt 240 Gesellschafter – und alle aus unserer Gemeinde.

Wie hoch ist Rendite?

Sehr hoch. Im vergangenen Jahr haben wir mit den Windkraftanlagen, den Photovoltaikanlagen und der Gewerbesteuer 1,5 Millionen Euro erwirtschaftet. Die Einnahmen fließen komplett ins Dorf. Wir haben zwei neue Kinderspielplätze finanziert und ein Feuerwehrauto gekauft. Das hätten wir nicht stemmen können, wenn wir finanziell nicht so gut dastehen würden.

Außerdem startet im Fuchstal ein Pilotprojekt zum Rotmilan. Was wird untersucht?

Für die neuen Windräder hätten wir ohne Vogelmonitoring keine Genehmigung bekommen. Das Forschungsprojekt soll herausfinden, ob der Rotmilan durch Windräder wirklich gefährdet ist. Die neuen Anlagen sind mit einem Kamerasystem ausgestattet. Wenn ein Rotmilan näher als 350 Meter ans Windrad heran fliegt, gibt die Kamera der Anlage das Signal, runterzufahren, bis der Vogel dort ist, laufen die Rotorblätter nur noch langsam aus. Gefördert wird das Projekt vom Wirtschaftsministerium und begleitet von der Hochschule Triesdorf-Weihenstephan und der Vogelschutzwarte Garmisch-Partenkirchen. Die ersten Ergebnisse wird es 2025 geben.

Wenn festgestellt wird, dass die Windräder keinen Einfluss auf das Flugverhalten der Greifvögel haben, würde das auch anderen Gemeinden die Standortsuche erleichtern.

Das hoffe ich. Denn in vielen Regionen Bayerns kommen wegen der 10H-Regelung nur noch Waldgebiete infrage. Ich hoffe nicht, dass man schlussfolgert, der Rotmilan könne in andere Regionen ausgewichen sein oder hätte im Schwarzwald ein anderes Flugverhalten als bei uns.

Das klingt, als hätten Sie schon viel Bürokratie erlebt. Macht es die Politik den Gemeinden schwer, die Energiewende voranzutreiben?

Ich habe wirklich schon alles erlebt. Viele Regeln sind so verkopft und können nicht mehr umgesetzt werden. Unsere ersten vier Windräder haben wir 2013 beschlossen, drei Jahre später sind sie in Betrieb gegangen. Die drei neuen Anlagen haben wir 2018 beschlossen – und wir gehen erst diesen Sommer in Betrieb. Nach fünf Jahren!

Was hat sich durch den Ukrainekrieg und die Energiekrise verändert?

Der Krieg hat den Menschen bewusst gemacht, wo unser Öl und Gas herkommen und dass Energiegewinnung vor Ort sinnvoller wäre. Wir haben ein großes Nahwärmenetz. Als die Energiepreise in die Höhe schossen, haben wir unzählige Anfragen bekommen. Alle wollten sich an unser Nahwärmenetz anschließen.

Was ist Ihr nächstes Ziel?

Wenn die neuen Windräder in Betrieb sind, erzeugen wir ungefähr 70 Millionen Kilowattstunden Strom mit erneuerbaren Energieanlagen im Fuchstal. Wir haben einen Verbrauch von rund 25 Millionen Kilowattstunden. Das heißt, wir produzieren fast dreimal so viel wie wir brauchen. Wir haben viel geschafft. Jetzt müssen die anderen Kommunen ihre Hausaufgaben machen.

Interview: Katrin Woitsch

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