Berchtesgaden – Vor knapp zwei Wochen sorgte das Zurücklassen eines Sterbenden am K2 im Himalaya für weltweite Empörung. An diese Tragödie fühlen sich nun viele wegen eines Falls im Steinernen Meer oberhalb von Saalfelden an der Grenze zu Deutschland erinnert.
Dort lag nachts in 1950 Metern Höhe auf einem Steig zum Ingolstädter Haus ein völlig geschwächter Bergsteiger aus Niederbayern, der glücklicherweise von einem fremden Wanderer entdeckt wurde. „Wir wurden am Sonntagabend gegen 22 Uhr alarmiert“, schildert der Saalfeldener Ortsstellen- und Einsatzleiter der Bergrettung, Markus Reichholf. „Wir stiegen sofort zu ihm auf. Dort angekommen erzählte der sehr geschwächte 64-Jährige, dass er seinen Begleiter vermissen würde.“
Die beiden Freunde aus dem Kreis Dingolfing-Landau waren gemeinsam nach Weißbach bei Lofer gefahren und von dort aus zum Ingolstädter Haus (2119 Meter) aufgebrochen. Aber aus unerfindlichen Gründen ließ der eine seinen 64-jährigen Begleiter am Weg zurück und ging einfach weiter – auf fast 2000 Metern Höhe! Bergretter Reichholf sagt: „Wir haben dann natürlich einen Großeinsatz zur Suche des zweiten Bergsteigers ausgelöst.“ Er selbst rief deswegen auch beim Wirt des Ingolstädter Hauses an: „Ich habe ihn informiert und er meinte, dass er schauen würde, wenn jemand kommt. Ich habe ihn dann aber noch einmal angerufen und gebeten, dass er auch in seinem Schlaflager nachschauen solle.“ Tatsächlich wurde der zweite Niederbayer schlafend im Lager entdeckt, als die Bergretter eintrafen: „Wir haben ihn aufgeweckt, aber er hatte keinerlei Einsicht. Er erzählte, dass er seinen Kollegen zurückgelassen habe und meinte nur, dass er auch allein zurechtkommen müsse.“
Es wurde noch eine lange Nacht im Steinernen Meer. Die Bergretter – es waren 16 von ihnen am Berg – mussten den total geschwächten Niederbayern mittels Gebirgstrage ins Tal bringen. Um 4.30 Uhr am Montagmorgen war der Einsatz vorüber. Der Gerettete befand sich gestern noch im Krankenhaus. Was mit dem Kameraden des Betreuten passiert, blieb unklar. „Wir müssen den Mann im Krankenhaus noch vernehmen“, so gestern eine Polizeisprecherin auf Anfrage unserer Zeitung. Im Raum stehe der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung.
Was das Verhalten des Kameraden betrifft, ärgert Bergretter Reichholf eines am meisten: „Er war nicht einmal einsichtig.“