Wahnsinn am Walchensee

von Redaktion

VON ANDREAS STEPPAN

Kochel am See – An den Einfahrten zur Südufer-Straße am Walchensee senken sich um 13.30 Uhr die Schranken. 1100 Fahrzeuge befinden sich zwischen Einsiedl und Niedernach. Damit sind rechnerisch alle Parkplätze belegt, kein Fahrzeug wird mehr eingelassen. „Nächstes Mal müsst ihr halt früher aufstehen“, sagt Anton Neuner zu einem fassungslos dreinblickenden Autofahrer. Neuner hat heute Dienst am Mauthäusl und muss die Autofahrer zu einem Ausweich-Parkplatz schicken. Sie haben die Wahl: Entweder sie stellen ihr Auto dort ab und gehen einen Kilometer zu Fuß. Oder sie suchen sich einen anderen Bade-Platz. Rund um den Walchensee werden sie sich an diesem Sonntag aber schwer tun. Kein Wölkchen am Himmel, über 30 Grad: Da bleibt kein Platzerl frei.

Wo allzu viele Erholung suchen, erleben Polizei, Wasserwacht, Mautwärter und Verkehrsüberwacher Stress pur. An der Mautstation bei Einsiedl aber behält Anton Neuner die Ruhe. Vorne, an der Einfahrt von der B11, steht ein Polizei-VW-Bus mit Blaulicht. Die Beamten sind wegen eines Unfalls angerückt. Die Autos, die auf die Mautstraße einbiegen wollten, hatten sich auf der Bundesstraße zurückgestaut. Ein 61-jähriger Motorradfahrer aus Tirol stieß beim Abbiegen Richtung Südufer mit dem BMW eines 27-Jährigen aus Olching zusammen. Der Motorradfahrer ist leicht verletzt, seine Maschine muss abgeschleppt werden. Totalschaden.

Anfang Juli ging es hier schon schlimmer zu, erzählt Anton Neuner. „Da haben sie schon um halb neun am Morgen gestritten, wer als erster reindarf.“ Als die Schranke mittags unten war, wurden er und sein Kollege wüst beschimpft. Andere versuchten, sie mit 50 Euro zu bestechen. Durchlass gibt’s nur für den Rettungswagen, der gerade einbiegt. Ein Mann hat sich die Schulter ausgekugelt. In diesem Moment zeigt sich, wie wichtig die Schranke ist. Könnten die Autos wie früher unbegrenzt ans Südufer fahren, wären die Rettungswege schnell zugeparkt.

Mitte Juli hatte beim Badestrand Einsiedl ein Auto einen Rettungsweg blockiert. BRK-Helfer hatten die letzten 100 Meter zu einem Notfall zu Fuß zurücklegen müssen. Damals war gerade kein Abschleppdienst verfügbar. Heute ist Max Brummer für den Tölzer Zweckverband unterwegs, der in der Region den Verkehr überwacht. Sollte es nun wieder eine Situation wie damals geben, könnte vereinfacht abgeschleppt werden. Dafür gibt es nun eine Vereinbarung mit der Polizei: die Beamten müssen nicht mehr anrücken, es reicht, wenn die Verkehrsüberwacher sie informieren. Danach können sie die Formalitäten vor Ort selbst abwickeln. Brummer und seine Kollegin nehmen einige Brennpunkte ins Visier. An diesem Sonntag sind die Rettungswege frei – fast. Vor der Einfahrt zum Campingplatz stehen ein paar Wohnwagen Schlange und warten auf Einlass. Einer parkt im Halteverbot. Brummer macht ein Ehepaar aus Kissingen als Halter aus. Sie hätten das Schild gar nicht gesehen, sagen sie. „Wo sollen wir denn hin, bis der Campingplatz aufmacht?“ Darauf hat Brummer auch keine Antwort. Aber er fordert die Camper lieber zum Wegfahren auf, als das Abschleppen anzuleiern.

An diesem Sonntag wird niemand abgeschleppt. Das heißt aber nicht, dass alle Ausflügler korrekt parken. Wegen des großen Andrangs waren alle Parkmöglichkeiten ausgeschöpft, berichtet Steffen Wiedemann, Chef der Polizeistation Kochel, und konstatiert leicht entnervt: „Viele Erholungssuchende stellten ihre Fahrzeuge verkehrswidrig ab.“ Am Samstag und Sonntag hat die Kochler Polizei 112 Parkverstöße geahndet. Dazu kommen zehn Anzeigen wegen Verstößen gegen naturschutzrechtliche Vorschriften.

Ein weiteres Ärgernis: Erneut steuern etliche SUP-Fahrer die Insel Sassau an. Hier gibt es eine unberührte Artenvielfalt, für Menschen gilt nicht nur ein Betretungs-, sondern ein Näherungsverbot bis auf 50 Meter. Doch trotzdem müssen Polizei und Wasserwacht mehrere Personen von der Insel verweisen. Ein Pärchen paddelt wenige Meter von einem großen Verbotsschild entfernt. Sie hätten es nicht gesehen, sagen sie. Auch sonst eilt die Wasserwacht von Einsatz zu Einsatz: ein Kollaps am Badestrand, Versorgung eines Kindes mit Platzwunde an der Wachstation, drei gestürzte Radlfahrer, ein Badegast mit Blessuren nach einem Sturz sowie die Rettung eines erschöpften Kiters. Ein ganz normaler Sonntag am Walchensee.

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