Ist Bairisch ein Karriere-Killer?

von Redaktion

Hilfe! Eine Umfrage stuft unseren Dialekt als einen der unbeliebtesten überhaupt ein. Und eine Dialektwegmacherin bringt gstandenen Bayern jetzt Hochdeutsch bei. Was ist denn da los?

München – Gstandene Bayern und Bayerinnen, und da gibt es nicht wenige unter unseren Lesern, müssen jetzt ganz stark sein. In einer neuen Umfrage kommt Boarisch schlecht weg, ist (angeblich) einer der unbeliebtesten Dialekte überhaupt in Deutschland. Und dann floriert neuerdings auch noch ein neuer Berufszweig: die Dialektwegmacherin. Die Dialekthüter vom Bund Bairische Sprache halten dagegen.

Laura Joeken aus Leipzig ist „Dialektwegmacherin“. Ja, das ist ganz im Ernst ihre Berufsbezeichnung. Seit 2021 unterrichtet sie Firmen-Angestellte, die zwar Bairisch, Sächsisch oder Schwäbisch sprechen, sich mit dem Hochdeutschen aber schwer tun. „Hochdeutsch auf Knopfdruck: für mehr Flexibilität im Business!“, so wirbt sie im Internet.

Acht Wochen dauert bei ihr ein Kurs, sie hatte schon über 100 Kunden, auch aus Bayern. „Es gibt Unternehmer, die einfach unsicher sind, sobald sie auf einer Messe in Hamburg oder Hannover auftreten müssen“, sagt die Expertin. „Sie sprechen dann zu schnell, nuscheln, fühlen sich unsicher oder unverstanden – das führt zu Frustration.“ Ziel von Laura Joeken ist es aber nicht, den Dialekt ein für alle mal wegzutrainieren. Da kann sie alle im Bairisch verwurzelten Bayern beruhigen. „Es geht um die Fähigkeit, beides zu sprechen: Dialekt plus Hochdeutsch.“ Hochdeutsch sei eine „Fähigkeit“, die man lernen könne. Laura Joeken analysiert Aussprache, Betonung und übt anhand von echten Situationen aus dem Business-Alltag der Teilnehmer die korrekte hochdeutsche Aussprache.

Übrigens ist es genauso leicht oder schwer, einem gstandenen Bayern Hochdeutsch beizubringen wie einem Sachsen. „Es gibt da keine hoffnungslosen Fälle.“

Das Geschäftsmodell kommt allerdings nicht überall gut an. Stefanie Prochazka aus Fischbachau im Kreis Miesbach ist Mitglied im Bund Bairische Sprache. Sicher, jeder sollte sich überall im deutschsprachigen Raum verständlich machen können. Problematisch sei bei der Dialektwegmacherin aber die Vermischung der Phänomene von Dialekt und regionaler Standardaussprache. Das sei ein weitläufiges „Missverständnis“. Regionale Standardaussprache sei überall gut verständlich, auch wenn im Bairischen etwa das R anders klinge als in Hamburg. Anders ausgedrückt: Auch wenn bei der regionalen Standardaussprache die Herkunft noch hörbar sei, gebe es keine Verstehens-Schwierigkeiten, betont Prochazka. „Da muss ich dann auch nichts abtrainieren.“

Oder vielleicht doch? Ist Dialekt neuerdings unbeliebt? Eine neue Umfrage legt das nahe. Im Auftrag einer Online-Sprachlernplattform namens Preply wurden 1008 Frauen und Männer im Alter zwischen 16 und 65 im Juli befragt, welche Dialekte besonders unbeliebt sind.

Das niederschmetternde Ergebnis aus bayerischer Sicht: Nach Sächsisch (finden 37,6 Prozent unbeliebt) und Schwäbisch (19,3 Prozent) rangiert Bairisch mit 18,6 Prozent auf Platz 3 der unbeliebtesten Dialekte in Deutschland – weit vor Plattdeutsch (13,5 Prozent) oder auch Kölsch und Hessisch.

In der Umfrage wurde auch gefragt, welcher Dialekt in welchem Bundesland am unbeliebtesten ist. So landete Bairisch in Hamburg, Berlin und Sachsen auf Platz 1, ist dort also besonders verhasst. Die Bayern wählten umgekehrt Thüringisch zum unbeliebtesten Dialekt. Die Hessen indes wählten Hessisch, die Thüringer Thüringisch – was dann wahlweise auf Selbsthass oder Ironiebegabung der Hessen und Thüringer schließen lässt – oder aber auf eine gewisse Unseriosität der Umfrage.

Wie auch immer: Für Sepp Obermeier, Chef des Bunds Bairische Sprache, grenzen die jüngsten Entwicklungen an „sprachlichen Rassismus“. Er plädiert für mehr Selbstbewusstsein beim Dialekt. „Wir brauchen da kein schlechtes Gewissen haben.“ DIRK WALTER

Artikel 10 von 11