Der Lebensretter über den Wolken

von Redaktion

INTERVIEW Jürgen Wörl fliegt für den ADAC erkrankte Patienten

München/Nürnberg – Vor 50 Jahren gründete der ADAC den Ambulanz-Service, um Verunglückte oder erkrankte Patienten aus dem Ausland zurück nach Deutschland zu holen. Jürgen Wörl ist einer der Piloten. Der 63-Jährige aus Gunzenhausen im Fränkischen Seenland sitzt mit der Erfahrung von 12 000 Flugstunden seit über 25 Jahren in einem der Ambulanz-Jets am Steuerknüppel – im Auftrag des Automobilclubs.

Herr Wörl, warum fliegen Sie Ambulanz-Flugzeuge und nicht Fracht oder Passagiere?

Ich hatte das Riesenglück, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte. Bei den Ambulanzflügen ist man nicht an die klassischen Sommer- und Winterflugpläne gebunden, sondern muss Flexibilität mögen. Denn man erfährt erst am Vorabend, wohin der Flug am nächsten Tag geht. Das macht es sehr abwechslungsreich, außerdem geht es immer woanders hin. Ein Linienflug muss genau auf Zeit starten und landen – und die Ziele sind nach einiger Zeit immer dieselben. Außerdem ist es erfüllend, dass wir bei unserem Job Menschen helfen.

Wie sieht ein typischer Einsatz aus?

Man ist für den Dienst eingeteilt und kann in Bereitschaft zu Hause bleiben. Ich muss innerhalb von 90 Minuten am Flughafen Nürnberg sein, wo der Aero-Dienst seinen Sitz hat. Die Technik hat dann schon das Flugzeug perfekt vorbereitet, und wir besprechen uns mit dem medizinischen Personal, wo es hingeht und welche Patienten wir transportieren.

Welches war Ihr längster Ambulanzflug?

Ich habe eigentlich keine Extremflüge hinter mir. Viele Jahre war ich vor allem in Europa und maximal bis Nordafrika unterwegs. Seit zwei Jahren fliege ich mit dem zweimotorigen Dornier-Jet 328, der eine größere Reichweite hat. Da waren die weitesten Ziele bisher Usbekistan, Dubai und die Kanarischen Inseln.

Gab es auch mal einen besonders spektakulären Einsatz?

Ja, einen sehr bewegenden Einsatz hatte ich einmal, als wir ein Frühchen für eine Herzoperation nach London gebracht hatten. Es gab nur dort den einen Arzt, der diese schwierige Operation durchführen konnte. Zum Glück ist alles gut verlaufen, und wir konnten das Baby sechs Wochen später wieder zurück nach Graz fliegen.

Geht man als Pilot eines Ambulanz-Flugzeuges fliegerisch ein höheres Risiko ein, weil man ja möglicherweise Leben rettet?

Risiko ist in der Fliegerei nicht angebracht. Das würde ich nie machen. Wenn der Arzt auf dem Flug signalisiert, dass es ein Problem mit dem Patienten gibt, schaut man, dass man auf dem nächsten Flughafen landen kann, bei dem ein Krankenhaus in der Nähe ist. Es hilft keinem, wenn man versucht, etwas mit Gewalt durchzudrücken. Ich habe ja die Verantwortung nicht nur dem Patienten gegenüber, sondern auch gegenüber meinem Co-Piloten und dem medizinischen Personal an Bord.

Werden Sie denn zum Schicksal der Menschen informiert, die Sie transportieren?

Man bespricht das mit der Medizin-Crew, ob beispielsweise der Patient selbst an Bord kommt oder ob er verladen werden muss. Bei Intensivpatienten, die vielleicht auch beatmet werden müssen, übernimmt alles die medizinische Crew. Mir ist es aber am liebsten, wenn wir einen Patienten transportieren, der vom Radl gefallen ist. Bei dem kann man eigentlich sicher sein, dass alles wieder gut wird. Bei Intensivpatienten weiß man das leider nicht immer so.

Erfahren Sie vom weiteren Schicksal der Menschen, die Sie geflogen haben?

Nein, da besteht kein Kontakt mehr zu den Patienten. Manchmal erzählt ein Arzt von einem Patienten, der wieder gesund wurde. Ich will das ehrlich gesagt aber auch nicht immer so genau wissen. Ich wünsche immer allen, dass alles wieder gut wird.

Mussten Sie schon selbst die Dienste des ADAC in Anspruch nehmen?

Ich bin seit 1981 im ADAC und habe in dieser Zeit den Pannendienst zweimal fürs Auto gebraucht. Einmal musste ich abgeschleppt werden, einmal machte die Batterie schlapp. Sonst Gott sei Dank nie. Interview: Volker Pfau

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