Ein Halsband gegen den Wolf

von Redaktion

Testprojekt in den Alpen – Duft soll Schafherden schützen

München/Tessin – Ist das eine Lösung für den kaum zu befriedenden Konflikt zwischen Bergbauern und Wölfen in den Alpen? Derzeit laufen in Italien und in der Schweiz Versuche, die eine völlig neue Vorgehensweise im Herdenschutz zum Inhalt haben. Flapsig ließe sich dies als Schaf im Wolfspelz beschreiben. Denn die Nutztiere verströmen dabei künstlich hergestellte Pheromone von Wölfen – das sind Botenstoffe, mit denen Tiere untereinander kommunizieren.

Auf die Idee kamen die Schweizer Wissenschaftler Federico Tettamanti und Davide Staedler, weil ihnen bewusst wurde, dass das Zusammenleben zwischen Bergbauern und Wölfen immer problematischer wurde. So entstand der Ansatz einer Art Geruchsbarriere und zwar mit einem „Halsband mit Pheromonen“, sagt Tettamanti. Ende April wurden die ersten Halsbänder bei Schafen eines Bauern im Rovana-Tal im Tessin angelegt, dessen Herde schwer unter Wolfsangriffen gelitten hatte. Auch in der Folge wurden seine Tiere angegriffen – „doch nie Tiere, die Halsbänder trugen. Diese werden vom Wolf nicht angegriffen“, berichtet Tettamanti dem Corriere del Ticino.

Derzeit läuft das Testprojekt weiter, aber nicht nur auf einer Alm, sondern auf mehreren. 700 Schafe tragen dabei die Pheromon-Halsbänder, die aber auch anderen Nutztieren angelegt werden können. Sie sollen Wölfen signalisieren: Hier lebt schon einer von uns!

Bevor sie an den Tieren ausprobiert wurden, fanden Tests in Wolfsgehegen in der Schweiz und Österreich mit Fleischstücken statt. Das Ergebnis: Mit Pheromonen behandeltes Frischfleisch wurde von Wölfen gemieden. Verschwand der Duft, fielen die Wölfe über das Fleisch her.

Es folgte der Feldversuch: Auf mehreren Almen und Alpen in Italien und der Schweiz, hier vor allem im Kanton Graubünden, wo zwölf Rudel leben, tragen seither die Schafe die Bänder. Aus einem Kästchen verströmen die Tiere die künstlich hergestellten Wolfspheromone. Nur ein so ausgestattetes Tier wurde bislang angegriffen.

Davide Staedler, Tettamantis Partner, ist Chemiker und stellt in seinem Labor die Duftstoffe her. Per DNA-Analyse wurde dabei das Wolfshormon entschlüsselt und reproduziert. Irgendwann könnte der Wolf aber merken, dass er getäuscht werden soll und der Geruch künstlich ist. Deswegen werden ständig neue Moleküle entwickelt und die Rezeptur angepasst. Wobei eines der Kästen in der Testphase mit einem Betrag von rund 25 Euro zu Buche schlägt.

Erste Zwischenergebnisse des Versuchs stimmen jedenfalls hoffnungsfroh: Ende September sollen endgültige Resultate vorliegen und statistisch ausgewertet werden. Bergbauern, die von den Versuchen gehört haben, meldeten sich bereits in ihrer Not von selbst bei den Wissenschaftlern. „Sie wollten es versuchen, da sie keine andere Lösung mehr sehen“, berichtet Tettamanti. Er betont aber auch, dass das Wolfs-Halsband keine Lösung ist, um einen Komplettschutz zu erreichen. „Unser Ziel besteht darin, die Angriffe um 50 bis 60 Prozent zu reduzieren. Was für mich schon ein großer Erfolg ist.“ MARKUS CHRISTANDL

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