DAS PORTRÄT

Marmelade gegen die Not

von Redaktion

Immer dienstags herrscht im großen Saal der Kaiserstiftung Riemerling ab 9 Uhr Hochbetrieb. Heute stehen auf den Tischen Schüsseln mit geschnittenen Aprikosen und Äpfeln, daneben stapeln sich Steigen mit Zitronen sowie Himbeeren, draußen im Flur wartet ein Servierwagen voll Nektarinen. Ein Dutzend Frauen mit Schürzen eilt zwischen Töpfen und Tischen hin und her, es wird geschwatzt und gelacht, geschleppt und geschnippelt, gerührt und verziert. Dienstag ist Einkochtag bei „Mammalade für Karla“. Seit sechs Jahren rettet das ehrenamtliche Team des Vereins überreifes Obst vor der Tonne und kocht daraus Fruchtaufstriche, von deren Erlös es obdachlose Frauen in der Notunterkunft „Karla 51“ des Evangelischen Hilfswerks unterstützt. Ausgedacht hat sich das Helene Nestler aus Ottobrunn im Kreis München vor sieben Jahren: „Die ersten Gläser habe ich bei einem Stand am Tennisplatz verkauft“, erinnert sich die 68-Jährige.

Inzwischen ist „Mammalade“ ein Benefiz-Imperium mit 30 Ehrenamtlichen im Schichtbetrieb. Seit 2016 hat es rund 1500 Kilo Obst gerettet, 175 000 Euro eingenommen und obdachlosen Frauen in und um München mit Alltagsbedarf, Kinderausstattung, dem jährlichen Ausflug und einem festlichen Weihnachtsessen geholfen. Helene Nestler ist herzlich, knüpft Kontakte zu einem kunterbunten Netz, sie hat feine Antennen für Menschen, ist pragmatisch und zielorientiert. Die ehrenamtliche „Karriere“ der gelernten Bankkauffrau hat schon lange vor „Mammalade“ begonnen, und immer standen Frauen dabei im Fokus.

Heute verkauft „Mammalade“ ihre Fruchtaufstriche in Supermärkten, Bäckereien, Unverpackt-Läden und bei Wochenmärkten zwischen München und Bad Tölz, Ottobrunn und Ebersberg. Schillernde Namen sind auch unter den Kunden: die Bayerische Staatskanzlei, deren Kantinenchef zu den großen Unterstützern zählt, und das Marriott München bringen „Mammalade“ auf den Tisch. Das namhafte Hotel ist der letzte Neuzugang: „Wir könnten noch weiter wachsen, aber wir dürfen unsere Ehrenamtlichen auch nicht überfordern“, sagt Helene Nestler. Die meisten der Frauen sind 65 plus, viele von ihnen alleinstehend oder verwitwet. „Ehrenamt muss Spaß machen – und bei uns ist es auch ein Mittel gegen Vereinsamung.“ JUTTA OLSCHEWSKI

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