München – Im dunkelblauen Pfleger-Kittel sitzt Klaus Holetschek (CSU) neben einer Seniorin am Esstisch in einem Pflegeheim im schwäbischen Buxheim. Löffel für Löffel und mit viel Geduld hilft er der älteren Dame beim Essen. Er ist heute nicht als Gesundheitsminister hier – Holetschek ist Praktikant. Die Idee dazu entstand in einem Gespräch mit der BRK-Landesgeschäftsführerin Elke Frank. Diesen Vormittag will der Minister nicht nur dafür nutzen, um sich mit den Pflegekräften zu unterhalten. Er will auch für ein paar Stunden in ihren Arbeitsalltag eintauchen.
Die Zeit, die er hat, um der Seniorin beim Essen zu helfen, fehlt den Pflegekräften oft. Das ahnte Holetschek schon, bevor er in die neue Rolle geschlüpft ist. Aber an diesem Vormittag beobachtet er mehrmals, wie Pflegekräfte von den Heimbewohnern immer wieder im Eilschritt an den Computer hetzen, manchmal dreimal hintereinander Passwörter eingeben müssen – oder das System neu starten, weil sich der PC aufgehängt hat. In den allermeisten Fällen passiert dieser Aufwand, um einen völlig normalen Blutdruckwert für einen Bewohner in die Datenbank einzugeben, wie ein BRK-Mitarbeiter danach berichtet.
Holetschek beobachtet wortlos. Später spricht er eine Pflegekraft auf die Situation an. Sie berichtet ihm, dass rund 75 Prozent ihrer Arbeitszeit für Dokumentationspflichten draufgehen. „Diese Zeit fehlt spürbar am Menschen“, betont sie. Ihre Worte machen den Minister nachdenklich – obwohl er die Klagen über die aufwendige Dokumentation schon oft gehört hat. Heute sieht er aber zum ersten Mal, was sie bedeutet. „Es kann nicht sein, dass Pflegekräfte den Großteil ihrer wertvollen Arbeit mit Bürokratie verwenden“, sagt er – und kündigt noch im Pflegeheim an, ein Modellprojekt zu initiieren. Holetschek will die Dokumentationspflicht auf den Prüfstand stellen. Gemeinsam mit Vertretern des Landesamts für Pflege will er in wenigen Tagen noch einmal in das Heim kommen, um genau zu prüfen, was von der Dokumentation wirklich sinnvoll und nötig ist. Durch dieses Modellprojekt könnten Pflegekräfte künftig weniger, aber sinnvoller und zielgerichteter dokumentieren. Dadurch soll auch der Pflegeberuf attraktiver werden. „Nachdem die Lohnentwicklung in der Pflege erfreulich gut ist, gilt es nun, flächendeckend attraktive Arbeitsbedingungen zu ermöglichen“, betont Holetschek. Und dazu gehöre eben auch, die völlig überbordende Bürokratie abzubauen. „Wir brauchen die Pflegekräfte an den Betten und nicht am Stift.“
Für BRK-Chefin Elke Frank ist diese Ankündigung ein wichtiges Signal. „Unsere Pflegekräfte sind hochqualifiziert. Ihre Fähigkeiten sollten optimal genutzt werden, um die Lebensqualität der Menschen zu verbessern.“ Von Holetscheks persönlichem Einsatz im Pflegeheim ist Frank beeindruckt. Der Gesundheitsminister half auch bei pflegerischen Tätigkeiten. Frank sagte danach: „Er ist mit großer Leidenschaft in dieses Praktikum eingetaucht.“ Es sei entscheidend, dass Politiker die Praxis erleben, betont sie. Über Pflege könne man nicht vom Bürotisch aus entscheiden.